Parteiausschluss:SPD-Spitze will schlichten - Clement legt nach

Die SPD-Führung schaltet sich mäßigend in das Verfahren um Clements Rauswurf ein. Doch der Ex-Minister denkt nicht daran, zurückzustecken - und poltert kräftig weiter.

Neue Runde im Streit über den drohenden Parteiausschluss von Wolfgang Clement. SPD-Führungsspitze schaltet sich nun direkt in das schwebende Verfahren vor der Bundesschiedskommission ein.

Parteiausschluss: Wolfgang Clement beharrt auf seiner Position zur Energiepolitik.

Wolfgang Clement beharrt auf seiner Position zur Energiepolitik.

(Foto: Foto: AP)

In einer Telefonschaltkonferenz beschloss die Parteispitze nach Worten von SPD-Chef Kurt Beck, dem Schiedsverfahren gegen Clement beizutreten. In dem Verfahren werde eine konkrete Verhaltensweise geprüft, allerdings müsse auch die politische Lebensleistung von Clement berücksichtigt werden. Es bleibe dabei, dass es sich um ein unabhängiges Schiedsverfahren handele. "Ansonsten bleibt es bei der Mahnung zur Besonnenheit und Vernunft", sagte Beck weiter.

Bevollmächtigter ist Generalsekretär Hubertus Heil. Die erste Sitzung der Kommission dürfte frühestens im September sein. Heil wies ausdrücklich Clements Darstellung zurück, in dem Verfahren gehe es auch um einen innerparteilichen Kampf über den richtigen Kurs und die Bilanz der Agenda 2010.

"Es geht nicht um politische Überzeugungen oder Meinungen, sondern um Verhalten", sagte Heil mit Blick auf Clements Empfehlung wenige Tage vor der hessischen Landtagswahl, nicht die dortige SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu wählen.

Heil sagte, in der SPD habe jeder das Recht, auch öffentlich seine Meinung zu sagen. "Es geht aber um etwas anderes anderes, nämlich um ein Verhalten in einer Wahlkampfsituation und um das Gebot innerparteilicher Solidarität." Die Äußerungen Clements über Ypsilanti würden nun abschließend von der Bundesschiedskommission bewertet.

Mahnung zu Besonnenheit

Es gehe aber insgesamt nicht um die Agenda 2010 und auch nicht um die Energiepolitik, betonte Heil. Das alles sei nicht Gegenstand der Diskussion. "Der Versuch der einen oder anderen Seite, dieses Parteiordnungsverfahren zu einem Richtungsstreit zu erklären, hat mit dem Verfahren selbst nichts zu tun", stellte Heil klar.

Heil sagte weiter, er wolle als Bevollmächtigter des Vorstands auf beide Seiten, also Clement und die Antragsteller, im Interesse von Verantwortung und Besonnenheit einwirken. "Es geht darum, dass wir Brücken bauen wollen in diesem Konflikt. Ich weise aber auch darauf hin, dass diese Brücken von beiden Seiten betreten werden müssen."

Clement hatte jedoch am Wochenende einen ersten Kompromissvorschlag der klagenden Ortsverbände brüsk abgelehnt. "Ich werde mich nicht auf irgendwelche Vergleichsvorschläge einlassen. Ich lasse mich nicht festlegen, wann, wie und wo ich zukünftig meine Meinung äußern werde", sagte der 68-Jährige der Süddeutschen Zeitung.

Die Kläger hatten einem offenen Brief an SPD-Chef Kurt Beck angeregt, es bei einer Rüge zu belassen, wenn im Gegenzug Clement erklärt, künftig "parteischädigenden Aufrufe zur Nichtwahl der SPD zu unterlassen".

Heil sagte, die leidenschaftlich geführte Diskussion über das Verfahren gegen Clement könne der Partei schaden. Nun seien Augenmaß, Verantwortung und Besonnenheit das Gebot der Stunde.

Clement wehrt sich weiterhin mit allen Mitteln gegen den drohenden Parteiausscchluss. "Die Entscheidung der Schiedskommission ist für mich absolut unakzeptabel. Sie ist falsch und muss aus der Welt geschaffen werden", sagte Clement im Bayerischen Rundfunk.

Clement berief sich dabei auf die Meinungsfreiheit, die auch in der SPD gelte. Er unterstrich, dass er einen völligen Ausstieg aus der Atomenergie, wie ihn die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti fordert, für falsch hält.

Spekulationen, dass Ypsilanti das Ausschlussverfahren gegen ihn mit initiiert habe, wollte Clement nicht kommentieren. Eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei, wie sie in Hessen angedacht wird, schloss er allerdings kategorisch aus: "Wenn es in Berlin auf der Bundesebene zu einer solchen Zusammenarbeit käme, wäre das schismatisch für die SPD. Es gibt viele Sozialdemokraten, die das, was in Hessen passiert, mit Abscheu sehen."

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Parteichef Beck zu Clements Behauptung sagt, wonach sein drohender Ausschluss in Wirklichkeit ein Richtungskampf in der SPD sei.

SPD-Spitze will schlichten - Clement legt nach

Frankfurts SPD-Vorsitzender Gernot Grumbach hat das Mitwirken seines Unterbezirks am Parteiausschlussverfahren gegen den früheren Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement verteidigt. "Wir haben uns ganz formal an dem Verfahren beteiligt", sagte er im "Morgenmagazin" der ARD. "Das ist völlig normal."

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"Es geht um die Spielregeln der Partei", sagte dazu Grumbach, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der Hessen-SPD ist. "Es gibt eine Grenze, die lautet: Man darf nicht aufrufen, eine andere Partei zu wählen, oder sagen, man darf die SPD nicht wählen." Er sei sehr dafür, dass Clement in der SPD debattiert. Er müsse sich aber wie jedes andere Mitglied auch an einmal getroffene Entscheidungen halten. "Um mehr geht es nicht. Daraus jetzt einen politischen Streit zu machen, ist völliger Unsinn."

Grumbach warf Clement eine "Dramatisierung" vor, die er überhaupt nicht verstehe. "Wolfgang Clement kann jederzeit sagen: Ich halte mich an die Spielregeln der Partei. Und es wird ihn keiner ausschließen."

Beck bestreitet Richtungskampf

SPD-Chef Kurt Beck sieht im Streit um den drohenden Parteiausschluss von Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement keinen Richtungskampf. "Es ist völliger Unfug, in diese Diskussion eine angebliche inhaltliche Zerrissenheit der SPD hineinzumengen", sagte Beck in Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern. "Die gibt es nicht." Es gelte, was auf dem Hamburger Parteitag zur Agenda 2010 beschlossen worden sei. "Diese Diskussion ist abgeschlossen und hat mit dem Verfahren nichts zu tun."

Clement will sich auch nicht auf einen Komprimiss einlassen. Die klagenden Ortsvereine haben sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in einem Brief an SPD-Chef Kurt Beck damit einverstanden erklärt, Clement nicht auszuschließen, sondern ihm nur eine Rüge zu erteilen.

Der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner drängte Clement hingegen zur Annahme eines Kompromissvorschlages. Das Angebot der Bochumer SPD "sollte man nicht arrogant zurückweisen", sagte Stegner im Deutschlandfunk.

Thierse fordert Selbstkritik

Unterdessen hatte SPD-Vorstandsmitglied Wolfgang Thierse Clement zu Selbstkritik geraten. Im Deutschlandradio Kultur sagte der Bundestagsvizepräsident: "Ich fände es ganz gut, wenn er einen Anfall selbstkritischer Bescheidenheit oder bescheidener Selbstkritik bekäme und sagt, das war ein Fehler, dass ich an dieser Stelle dazu aufgerufen habe, die eigene Partei und ihre Spitzenkandidatin nicht zu wählen."

Thierse räumte ein, dass er Probleme mit dem Parteiausschluss habe. "Ich finde den Parteiausschluss nicht sympathisch, er gefällt mir nicht." Er habe jedoch auch etwas dagegen, wenn Clement jetzt den Eindruck erwecke, in der SPD gebe es keine Meinungsfreiheit. Er solle den geplanten Parteiausschluss nicht "hochstilisieren". Die SPD sei eine streitlustige Partei, in der Meinungsvielfalt herrsche.

Es gehe im Fall Clement um eine Grenze, die er überschritten habe. "Das ist eine Grenze, die in allen Parteien gilt. Man kann nicht Mitglied einer Partei sein und öffentlich dazu auffordern, sie nicht zu wählen." Den Ärger und die Kritik, die sein Verhalten hervorgerufen habe, müsse auch Clement verstehen.

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