Partei im Netz (4): Die Linke:Die nette Ostfrau jammert

Lesezeit: 3 min

Im Internet wartet die Linkspartei mit Referaten vorm Bundestag statt mit spaßigen Filmchen auf. Trotzdem überflügelt sie damit manchmal sogar die Quote der Kanzlerin und ihres Podcasts.

Varinia Bernau

In den Umfragewerten hat sich die Linkspartei an die großen Volksparteien herangeschlichen - im Internet hat sie sie schon überholt: Ein Podcast von Oskar Lafontaine zu wachsender Armut, Leiharbeit und Mindestlöhnen ist der am häufigsten aufgerufene Clip im Youtube-Kanal der Bundestagsfraktion der Linken: 23.000-mal wurde er angeschaut. Zum Vergeich: Den Podcast der Kanzlerin laden sich, je nach Themengebiet, 10.000 bis 20.000 Menschen herunter.

Oskar Lafontaine - Zugpferd der Linkspartei, auch im Internet. (Foto: Foto: ddp)

Bereits eine Woche, nachdem die Bundeskanzlerin im Juni 2006 mit ihrem Podcast die Regierung 2.0 eingeleit hatte, zog die Linke mit Opposition 2.0 nach: Anfangs war ein wöchentlicher Podcast auf der Internetseite der Bundestagsfraktion zu sehen - und dort auch zum Abo frei. Seit etwa vier Monaten stellt die Fraktion an jedem Freitag eine neue Botschaft in den parteieigenen Youtube-Kanal.

Rote Wangen wie vorm Weihnachtsmann

Etwa 100 Videobotschaften gibt es dort - nach immer demselben Schema: Die gläserne Bundestagskuppel als Spirale, der Bundesadler und die Konterfeis prominenter Abgeordneter sausen über den Bildschirm. Schnelle Schnitte und ebenso schnelle Musik dienen als Einleitung für das, was die Linksfraktion dem Bürger allwöchentlich zu sagen hat: Kirsten Tackmann, die sich selbst "eine Ostfrau" nennt, berichtet beispielsweise in der Ausgabe vom 19. August 2008, dass Frauen in der Bundesrepublik vor 50 Jahren zum Arbeiten die Erlaubnis ihrer Männer brauchten.

Ihr Tonfall schwankt zwischen Weinerlichkeit und kindlicher Empörung - und manche Worte betont sie so, als würde sie dazu mit dem Fuß aufstampfen. Doch der untere Bildrand liegt über ihrem Bauchnabel. Die Politikerin wirkt mit ihrem Kurzreferat über die Diskriminierung der Frau wie ein Kind, das dem Weihnachtsmann das auswendig gelernte Gedicht vorträgt - und sich dazu besonders hübsch zurechtgemacht hat. Die Wangen rot vor Aufregung. Ein "oberpeinlich" ist mit Abstand das flippigste Wort, das ihrem Mund entschlüpft.

Das Gesicht in den linken Podcasts wechselt, Inhalt und Kulisse bleiben gleich: Ein Abgeordneter vorm Bundestag tut das, was er am besten kann: Er redet. Fast vier Minuten dauert der längste Beitrag. Ein dreiköpfiges Redaktionsteam bereitet die wöchentlichen Podcasts vor; die aktuelle Agenda bestimmt die Themen.

Die SPD hat historische Wahlwerbespots in den parteieigenen Youtube-Kanal gestellt; die Grünen eine Mini-Doku darüber, wie die Parteivorsitzenden die Klimaschnecke Merkel enthüllen. Das ist auch politisch - aber es ist vor allem amüsant: Die Linke bietet lediglich Videobotschaften und Reden aus dem Bundestag. Warum so bieder?

Das ist zum einen Strategie: Man könne davon ausgehen, dass "mit der Zeit auch Formate in den Kanal aufgenommen werden, die stärker in Richtung Infotainment gehen", hebt Martin Icke, verantwortlich für die Internetpräsenz der Bundestagsfraktion, zur Rechtfertigung an. Aber die Abgeordneten als Laienspieler zu inszenieren, wie die FDP dies in ihrer realsatirischen Soap "Fricke und Solms" tut, nein, das werde es bei der Linken nicht geben. Man sei schließlich keine Spaßpartei.

Der Linkspartei geht es um Authentizität. Der Youtube-Kanal der Bundestagsfraktion diene vor allem dazu, Rechenschaft abzulegen. "Darüber, was unsere Abgeordneten unter der Glaskuppel so treiben", wie Icke sagt. Und, anders als die konventionellen Medien, biete das Internet die Möglichkeit, die Bürger "ungefiltert" zu informieren - neben den wöchentlichen Videobotschaften auch mit Parlamentsreden.

Auch Ronald Friedmann, der von seinem Büro im Karl-Liebknecht-Haus den Internet-Auftritt der Partei insgesamt, gestaltet, hält wenig von technischen Spielereien. Die Seite ist vor allem mit Texten und Bildern bestückt; Audio- und Videodateien werden in lockerer Folge dazugestellt. "Wenn ich mir die Zugriffsstatistik anschaue, erkenne ich eindeutig, dass Videofiles zwar als Bonus mitgenommen werden. Aber das ist nicht die primäre Informationsquelle für User." Die Leute, zeigt sich Friedmann überzeugt, wollen kurze, präzise Texte - und zwar zum Lesen.

Kommunikation 2.0: Beleidigungen und Morddrohungen

Doch der schnörkellose Internetauftritt der Linken ist nicht nur Strategie - er ist auch dem niedrigen Budget geschuldet, gibt Friedmann unumwunden zu. Es liegt auch an den knappen Kapazitäten, dass sich die Partei eine andere Charakteristik des Internets nicht zunutze macht: Das Internet ist ein interaktives Medium. Doch Dialog mit dem Bürger findet nicht statt. Austausch? Fehlanzeige.

Friedmann, der schon die Internetauftritte der PDS koordiniert hat, erzählt von dem Versuch, einen 17. Landesverband ins Leben zu rufen: Dieser sollte als Community im Internet funktionieren mit der Partei-Homepage als Plattform für Diskussionen. "Das Projekt hat sich selbst zerlegt", so Friedmanns nüchterne Bilanz fünf Jahre danach. Aus leichten Missverständnissen wurden handfeste Streits; es gab Beleidigungen und Morddrohungen. Um die Foren zu moderieren, vor allem in den Abendstunden, wenn die meisten Menschen im Netz unterwegs sind - dafür wäre der Aufwand zu groß gewesen, sagt Friedmann. Dennoch: Auch bei den Orts- und Kreisverbänden beobachte er ein wachsendes Interesse, sich via Internet mitzuteilen.

Selbst der Kreisvorsitzende der Linken in Oder-Spree hat einen eigenen Podcast - und seinem Kollegen von der dortigen CDU somit etwas voraus. Zugegeben: Die Botschaften vor knallroter Kulisse sind nicht gerade das, was man einen pfiffigen Clip nennen würde - und verzeichnen im Schnitt auch nur 58 Zuschauer.

Oskar Lafontaine ist nicht ohne Grund das Zugpferd der Partei - auch was die Klicks auf die linken Podcasts betrifft. Er kommt wesentlich staatsmännischer daher als die anderen Abgeordneten seiner Partei - und kann, was die Quote betrifft, selbst die Bundeskanzlerin das Fürchten lehren.

© sueddeutsche.de/cmat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: