Parlamentswahlen in Polen:Provokateur vom Dienst

Ein Querulant schlägt quer: Janusz Palikot spielt in Polen den politischen Clown. Mit frechen Fragen und schrägen Aktionen machte er sich unter Premierminsiter Tusk zu einem der Hauptfeinde des nationalpatriotischen Lagers. Nun hat er seine eigene Partei gegründet und könnte die Wahl an diesem Sonntag entscheiden.

Thomas Urban, Warschau

Premier Donald Tusk legt sich den Ball zurecht, er läuft drei Schritte an, sein platzierter Schuss trifft genau ins Ziel: auf eine Zimmerpflanze. Er schießt immer wieder, bis das Gewächs völlig hinüber ist. Diese Szene schildert Janusz Palikot, Gründer und Vorsitzender der "Bewegung zur Unterstützung Palikots" (RPP), in einem kürzlich erschienenen Buch über das Innenleben der Bürgerplattform (PO), der von Tusk geführten proeuropäischen und konservativen Regierungspartei. Er hat sich offenbar vorgenommen, das Bild von Tusk als dem netten Kumpel zurechtzurücken. In Wirklichkeit sei dieser ein "kleiner Tyrann", der auch engste Mitarbeiter vulgär beschimpfe, schreibt er.

Janusz Palikot

Janusz Palikot hat in Polen eine eigene Bewegung gegründet, das könnte die Wahlen entscheiden.

(Foto: AP)

Die Zimmerpflanze, die Tusks Fußballkünsten zum Opfer fiel, stand Palikot zufolge im Vorzimmer des Premierministers. Das Ganze soll sich 2007 zugetragen haben, als Tusks Amtsvorgänger Jaroslaw Kaczynski nach der verlorenen Parlamentswahl das Feld räumen musste und die scheidende Sekretärin ihre Nachfolgerin gebeten hatte, sich weiter um die Pflanze zu kümmern. Doch Tusk wollte keine Hinterlassenschaft Kaczynskis in seinen Amtsräumen dulden.

Palikot weiß, wovon er schreibt. Fünf Jahre lang hat er als PO-Abgeordneter zu den engsten Mitarbeitern Tusks gehört. Er war der Pöbler vom Dienst, seine Aufgabe: die Kaczynski-Zwillinge unablässig lächerlich zu machen. Diese Aufgabe erfüllte er hervorragend. So fragte er öffentlich Lech Kaczynski, den Staatspräsidenten, der dann 2010 bei einem Flugzeugunglück ums Leben kann, ob dieser Alkoholiker sei. Das Volk habe das Recht zu wissen, wie es um die Gesundheit des Staatsoberhauptes bestellt sei.

Und dessen Zwillingsbruder Jaroslaw, der Junggeselle ist, sollte sich auf eine Anfrage Palikots hin dazu äußern, ob er sich für Frauen interessiere. Landesweit wurde der Politiker bekannt, als er zu einer Pressekonferenz mit einem Silikonpenis und einer Plastikpistole erschien - das war sein Kommentar zu einem Vergewaltigungsskandal bei der Polizei der ostpolnischen Großstadt Lublin, einer Kaczynski-Hochburg. Die beiden Gegenstände stünden für das Parteikürzel PiS, erklärte er.

So wurde Palikot einer der Hauptfeinde des nationalpatriotischen Lagers. Doch auch mit seinem Förderer Tusk überwarf er sich letztlich. Palikot war Vorsitzender eines Parlamentsausschusses mit dem schönen Namen "Freundlicher Staat", er sollte Vorschläge für den Abbau der Bürokratie machen. Als aber unter Tusk das Beamtenheer weiter wuchs und als dieser begann, aus wahltaktischen Gründen Reformen zu verschleppen, trennten sich ihre Wege.

Palikot trat aus der PO aus und gründete seine Bewegung, die er selbst als "offen antiklerikal und ultraliberal" bezeichnet. Er pocht auf die strikte Trennung von Staat und Kirche, keine Gelder sollten mehr für die Pfarreien ausgegeben werden, Kreuze müssten aus Gerichtssälen, Amtsstuben und Schulklassen verschwinden. Überdies fordert er, dass der Staat sich völlig aus der Wirtschaft zurückzieht.

Palikot gehört zu den Gewinnern der Privatisierungswelle in den 90er Jahren. Er kaufte für eine geringe Summe eine Wodkafabrik, sie machte ihn zum Multimillionär. Zu den Kandidaten seiner Partei gehören Geschäftsleute, Vertreter der alternativen Kulturszene sowie der bekannteste polnische Schwulenaktivist, Robert Biedron. Die Umfragen sprechen dafür, dass Palikots Leute zwischen sechs und zwölf Prozent der Stimmen ergattern könnten. Das würde ihm die Rolle des Königsmachers verschaffen - und ihm die Aufmerksamkeit garantieren, nach der er sich sehnt.

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