Parlamentswahlen in Dänemark:Wettstreit um rechte Wähler

Supporters of both parties cheer as Danish Prime Minister Helle Thorning-Schmidt and opposition leader Lars Lokke Rasmussen attend their first one-on-one debate

Dänemarks Regierungschefin Thorning-Schmidt und ihr Herausforderer Rasmussen während eines TV-Duells.

(Foto: Asger Ladefoged/Reuters)
  • In Dänemark wetteifern die Parteien darum, wer die strengsten Bestimmungen für Flüchtlinge und Einwanderer erlässt. Das Rennen um die Wahl ins dänische Parlament ist dabei in diesem Jahr äußerst eng.
  • Mehr Flüchtlinge kommen nach Dänemark: Im letzten Jahr mit 14 800 doppelt so viele wie 2013. Besonders die Muslime im Land haben es schwer.
  • Die regierenden Sozialdemokraten setzen dagegen auf den Schwerpunkt Wirtschaft und legen in den Umfragen deutlich zu.

Von Silke Bigalke, Kopenhagen

Es war ein dramatisches Bild, das Lars Løkke Rasmussen da zeichnete. Der Zustrom der Asylbewerber müsste "sofort gebremst" werden, warnte der dänische Oppositionsführer und Chef der liberalen Venstre.

Dänemark würde sonst zum Nährboden für mehr Parallelgesellschaften, mehr Ghettos. Sollte er kommenden Donnerstag gewählt werden, versprach Rasmussen, wolle er so schnell wie möglich eine Parlamentssitzung dazu einberufen. Die Sache könne nicht bis nach der Sommerpause warten.

Parteien-Wettstreit um strengste Regeln für Flüchtlinge und Einwanderer

Eine Woche vor der Wahl wetteifern die Parteien in Kopenhagen darum, wer die strengsten Regeln für Flüchtlinge und Einwanderer aufstellt.

Die Debatte ist auch deshalb so hitzig, weil das Rennen knapp ist. Der Mitte-links-Block der sozialdemokratischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt liegt in den Umfragen gleichauf mit dem Mitte-rechts-Block von Lars Løkke Rasmussen, ihrem Vorgänger in der Staatskanzlei. Rasmussen bräuchte die Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, um zu regieren.

Rechtspopulisten wollen Wohnorte von Flüchtlingen veröffentlichen

Die Bedrohung, die der liberale Oppositionsführer nun beschwört, ist messbar: 14 800 Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr nach Dänemark gekommen, etwa doppelt so viele wie im Vorjahr.

Helle Thorning-Schmidt habe Dänemark zum "Magneten" für Flüchtlinge gemacht, werfen die Liberalen ihr vor. Das Land sei in der EU von Platz zehn auf Platz fünf der Länder aufgestiegen, die die meisten Menschen pro Einwohner aufnehmen, klagen sie.

Ein Vergleich: Im Nachbarland Schweden haben im vergangenen Jahr 81 300 Menschen Asyl beantragt, mehr als fünf Mal so viele wie in Dänemark. Trotzdem hat die Ministerpräsidentin längst auf den Zustrom reagiert und Anfang des Jahres strengere Regeln für Flüchtlinge eingeführt, unter anderem ihr Bleiberecht auf ein Jahr begrenzt.

Auch mit einer liberalen Regierung wären mehr Menschen als zuvor nach Dänemark geflüchtet, verteidigt sie sich. Und überhaupt sei es ihre Regierung gewesen, die es Asylbewerben zum ersten Mal seit zwölf Jahren erschwert habe, den Flüchtlingsstatus zu erlangen.

Methode der Politik: Angst vor Überfremdung zu schüren

In Dänemark ist es Tradition, mit der Angst der Menschen vor Überfremdung Wählerstimmen zu sammeln. Perfektioniert hat das die Dänische Volkspartei, ihr Erfolg treibt die anderen Parteien an. "Wir wollen keine Flüchtlinge mehr in Dänemark, überhaupt keine", sagt Martin Henriksen, der integrationspolitische Sprecher der Partei. "Wir wollen den anderen europäischen Ländern einen Schritt voraus sein. Die Leute sollen sehen, dass es überhaupt keine gute Idee ist, nach Dänemark zu kommen."

Von einer Quotenregelung, mit der die EU Hilfesuchende auf die Mitgliedstaaten verteilen könnte, wäre Dänemark wegen einer Sonderregelung ohnehin ausgeschlossen. Flüchtlinge, die schon im Land sind, sollen so schnell wie möglich in ihre Heimat oder in benachbarte Flüchtlingslager geschickt werden, so Henriksen.

Auch für Einwanderer, die zum Arbeiten nach Dänemark kommen, soll es schwieriger werden. In den Umfragen liegen die Rechtspopulisten bei etwa 20 Prozent. Da stören auch Ausrutscher nicht weiter, wie jener der lokalen Parteigruppe in Frederiksberg.

Die verbreitete das Bild eines überfüllten Flüchtlingsschiffs mit der Aufschrift "Next stop Frederiksberg" und versprach den Einwohnern des Kopenhagener Vororts eine Karte, auf der sie sehen könnten, wie weit entfernt der nächste Flüchtling in Frederiksberg wohnt.

Dauerhafter Aufenthalt für Flüchtlinge mit Sprachkenntnissen und Arbeit

Die Liberalen möchten nicht noch mehr Wähler an die Rechtspopulisten verlieren. Sie schlagen geringere Sozialleistungen für Ausländer vor.

Eine permanente Aufenthaltsgenehmigung sollen Flüchtlinge nur bekommen, wenn sie arbeiten und Dänisch sprechen. Außerdem soll es schwieriger für sie werden, ihre Familien nachzuholen.

Perfektes Timing

Wann die Dänen wählen, entscheidet der Regierungschef. Es muss nur spätestens vier Jahre nach der letzten Wahl geschehen. Für Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt hieß das: spätestens Mitte September. In Kopenhagen rechnete man jedoch damit, dass sie die Wahl vor die Sommerferien ziehen könnte. Wochenlang waren Spekulationen über den Termin das heißeste politische Thema in der Hauptstadt. Die Dänen wählen traditionell an einem Wochentag. Außerdem müssen zwischen Ankündigung und Wahl drei Wochen liegen. Thorning-Schmidt machte es spannend, beobachtete wohl die Umfragewerte, wartete auf den richtigen Moment. Der kam mit dem neuen Wohlfahrtsprogramm der Sozialdemokraten und einer positiven Wachstumsprognose Ende Mai. Am Ende ließ Thorning-Schmidt nur 23 Tage Zeit für den Wahlkampf. Silke Bigalke

Es sei logisch, "dass Individuen, die mit ihren Familien in einer Parallelgesellschaft wiedervereint sind, eine kleinere Chance haben, in Dänemark integriert zu werden", so Liberalen-Chef Rasmussen.

Wenn dänische Politiker vor Parallelgesellschaften warnen, meinen sie die Muslime. "Ihnen gegenüber gibt es eine spezielle Rhetorik", sagt Brian Arly Jacobsen, Sozialwissenschaftler an der Uni Kopenhagen. Die Botschaft ziehe sich durch alle Parteien, von links nach rechts: Wenn du dich nicht anpassen kannst, verlass das Land.

Besonders Muslime haben in Dänemark ein Akzeptanz-Problem

Die meisten der geschätzt 267 000 Muslime im Land leiden darunter, dass die kleineren, extremen Gruppen besonders sichtbar sind, wie die in Deutschland verbotene Hizb ut-Tahrir. Die Islamisten forderten dänische Muslime jüngst auf, nicht zur Wahl zu gehen, weil Demokratie nicht mit dem Islam vereinbar sei.

Schon vor dem offiziellen Wahlkampf warb die Partei der Konservativen mit dem Spruch "Stop Nazi Islamism" und erklärte, warum Islamisten und Neonazis in eine Schublade gehörten.

Die immigrationspolitische Sprecherin der Partei, Mai Mercado, erklärte in einem Gastbeitrag in der Zeitung Berlingske, warum das Christentum besser sei als der Islam. Bei den Liberalen meinte Parteisprecherin Inger Støjberg vergangenes Jahr, dass es große Unterschiede zwischen christlichen und muslimischen Einwanderern gebe, was ihre Integrationsfähigkeit betrifft.

Sozialdemokraten setzen auf die Wirtschaft

Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt hat versucht, das Thema zu meiden. Ihre Partei konzentrierte sich vor allem auf eine Botschaft: "Wenn du nach Dänemark kommst, musst du arbeiten", stand auf ihren Plakaten.

Die Premierministerin legte stattdessen den Schwerpunkt auf die Wirtschaft, denn da geht es bergauf. Sie möchte das Wachstum nutzen, um die Sozialausgaben zu erhöhen.

Lange sah es so aus, als hätten die Sozialdemokraten keine Chance auf Wiederwahl. Bis in den März hinein lag ihr Block in Umfragen bis zu zehn Prozentpunkte hinter der Opposition. Wenn sie nun gewinnt, wäre es eine nie da gewesene Aufholjagd.

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