Parlamentswahl in Südafrika:"Südafrika ist zerfressen von Korruption, Drogen und Ungleichheit"

Sie sind Südafrikas erste Generation, die ohne Apartheid aufgewachsen ist: die "Born Frees". Doch was mit der Freiheit anfangen, wenn Arbeitslosigkeit oder Kriminalität den Alltag bestimmen? Acht junge Südafrikaner über Zukunftsangst und Hoffnung - und die Frage, was die Wahl damit zu tun hat.

Protokolle: Thomas Schmelzer, Kapstadt

Wer in Südafrika als "Born Free" bezeichnet wird, ist im Jahr der ersten freien Wahlen 1994 oder danach zur Welt gekommen. Seither ist in Südafrika vieles besser geworden, doch was mit der Freiheit anfangen, wenn Arbeitslosigkeit oder Kriminalität den Alltag bestimmen? Acht junge Südafrikaner über Zukunftsangst und Hoffnung - und die Frage, was die Parlamentswahl damit zu tun hat.

Aaron Adams, 18, Gemüseverkäufer in Manenberg

Parlamentswahl in Südafrika: Aaron Adams: "Ich will, dass es unserem Land endlich besser geht."

Aaron Adams: "Ich will, dass es unserem Land endlich besser geht."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Das Wichtigste im Leben ist, seine Familie zu versorgen. Ich helfe gerade noch meinem Vater in seinem Gemüsestand aus. Wenn ich älter bin, will ich aber mein eigenes Ding durchziehen und in Amerika studieren.

Für Südafrika sieht es düster aus. Das Land ist zerfressen von Korruption, Drogen und Ungleichheit. Wenn du hier im Township aufwächst, geht es ständig um die rivalisierenden Gangs. Und der ANC lässt uns Farbige im Stich. Erst waren wir nicht weiß genug - und jetzt sind wir nicht schwarz genug, damit man uns vernünftige Häuser baut.

Ich will, dass es unserem Land endlich besser geht. Deswegen gehe ich wahrscheinlich zur Wahl. Ein großes Thema ist das aber in meiner Familie und unter meinen Freunden nicht. Wir haben hier andere Probleme."

Qamran Tabo, 21, Informatik-Studentin in Kapstadt

Parlamentswahl in Südafrika: Qamran Tabo: "Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn genügend Leute ihre Stimme abgeben."

Qamran Tabo: "Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn genügend Leute ihre Stimme abgeben."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Politik ist für mich eher Nebensache. Viel wichtiger sind mir meine Ausbildung und die Karriere. Viele meiner Freunde sehen das genauso. Obwohl ich ein paar Monate vor den ersten Wahlen geboren wurde, fühle ich mich den 'Born Frees' zugehörig. Meine Generation ist insgesamt nicht so politisch wie die meiner Eltern.

Warum das so ist, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht haben wir einfach keine politischen Ziele mehr. Wir haben viele Möglichkeiten und kennen die Apartheid nur aus Geschichtsbüchern. Es gibt immer noch Diskriminierung, aber wenigstens ist die heute nicht mehr legal. Ich persönlich habe auch noch nie ernsthafte Probleme wegen meiner Hautfarbe gehabt.

Trotzdem gehe ich am 7. Mai zum ersten Mal wählen. Eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn genügend Leute ihre Stimme abgeben. Allerdings glaube ich nicht, dass sich durch die Wahlen etwas verändert - am Ende gewinnt ohnehin der ANC."

Sharne Trimble, 18, Schülerin in Manenberg

Parlamentswahl in Südafrika: Sharne Trimble: "Politik und Wahlen sind zwar wichtig für mich, aber es gibt Wichtigeres."

Sharne Trimble: "Politik und Wahlen sind zwar wichtig für mich, aber es gibt Wichtigeres."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Ich habe vergessen, mich für die Wahl zu registrieren. Das ist in dem ganzen Alltagskram einfach untergegangen. Ich gehe noch zur Schule und muss jeden Tag Hausaufgaben machen. Na ja, jetzt ist es eben zu spät.

Politik und Wahlen sind zwar wichtig für mich, aber es gibt Wichtigeres. Ich arbeite als Freiwillige in einer Schule in meinem Township und versuche ein gutes Vorbild für die Kleinen abzugeben. Keine Drogen, keine Kriminalität, etwas aus seiner Zukunft machen.

Das Wichtigste für unsere Gemeinde ist Sicherheit. Ständig gibt es hier Schießereien und Überfälle. Die Leute sagen immer, wir seien die freie Generation. Aber wir können ja nicht mal sicher durch unsere eigenen Straßen laufen. Frei sind wir nicht."

Devon Hough, 19, Student in Durban

Parlamentswahl in Südafrika: Devon Hough: "Ich glaube, meine Generation unterscheidet sich von den früheren durch unsere Farbenblindheit."

Devon Hough: "Ich glaube, meine Generation unterscheidet sich von den früheren durch unsere Farbenblindheit."

(Foto: privat)

"Wir 'Born Frees' sind für mich eine der mächtigsten Generationen der Welt. Wir können unserem Land zeigen, wie man in Einheit und ohne Rassismus lebt. Wir haben die Möglichkeit, Südafrika in einen besseren Ort zu verwandeln.

Trotzdem gehe ich nicht wählen. Das ist meine ganz persönliche Entscheidung. Ich interessiere mich nicht so sehr für Politik. Für was die einzelnen Parteien genau stehen, kann ich nicht sagen. Einfach so ins Blaue zu wählen, wäre also ziemlich dumm. Meine Entscheidung würde nur auf Hörensagen und Wahlwerbung basieren.

Ich glaube, meine Generation unterscheidet sich von den früheren durch unsere Farbenblindheit. Wir wählen nicht mehr nach Hautfarbe. Wenn uns manche deswegen als unpolitisch beschreiben, trifft das zu. Teilnahmslos sind wir aber nicht.

Sandile Tshabalala, 21, Jura-Student in Kapstadt

Parlamentswahl in Südafrika: Sandile Tshabalala: ""Leider hat unser Präsident kaum noch den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung."

Sandile Tshabalala: ""Leider hat unser Präsident kaum noch den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Das Wahlrecht ist für mich ein Geschenk. Es zu vergeuden, kommt nicht in Frage. Noch vor 25 Jahren hätte meine Stimme überhaupt nichts gezählt. Ich aber will einen Unterschied machen. Ich will ein aktiver Bürger sein und mitbestimmen, in welche Richtung sich unser Land entwickelt.

Leider hat unser Präsident kaum noch den notwendigen Rückhalt in der Bevölkerung. Er hat es schwer, sich gegen die früheren Präsidenten Mandela und Mbeki zu beweisen. Wir brauchen in Zukunft wieder verantwortungsvolle und rechtschaffene Staatsmänner für unserer Land.

Ob die aus meiner Generation kommen werden, weiß ich nicht. Es stimmt: Wir sind ziemlich apathisch und unpolitisch. Woran das liegt? Die Reichen sind zufrieden mit dem Status quo. Wer beißt schon in die Hand, die einen füttert? Und die Armen? Die haben keine Stimme. Daran muss sich endlich etwas ändern."

Faatima Ayob, 18, Studentin in Louis Trichardt

Parlamentswahl in Südafrika: Faatima Ayob: "Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann Arbeitsplätze und weniger Korruption."

Faatima Ayob: "Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann Arbeitsplätze und weniger Korruption."

(Foto: privat)

"Meine Generation ist faul, apathisch und undankbar. Wir wollen alles auf dem Silbertablett serviert bekommen. Selber anpacken oder Verantwortung übernehmen? Da sagen die meisten: 'Nein, danke'.

Die Wahlen machen da kaum einen Unterschied. Ich selbst gebe meine Stimme nur ab, weil alle sagen, dass jede Stimme zählt. Aber ich glaube nicht daran. Was soll sich schon ändern? Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann Arbeitsplätze und weniger Korruption.

Außerdem sollten wir die Einstellungsquoten für Schwarze und Coloureds wieder abschaffen. Das ist umgedrehte Apartheid. Und unsere Gesellschaft ist ohnehin immer noch entlang der Hautfarben getrennt."

Rosymary Mudzanani, 20, VWL-Studentin in Kapstadt

Parlamentswahl in Südafrika: Rosymary Mudzanani: "Meine Generation ist die erste, die ohne Angst ihre Stimme erheben kann."

Rosymary Mudzanani: "Meine Generation ist die erste, die ohne Angst ihre Stimme erheben kann."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Ich glaube, als Born Free habe ich eine gewisse Verantwortung. Meine Generation ist die erste, die ohne Angst ihre Stimme erheben kann, und mit diesem Recht sollten wir auch etwas Vernünftiges anfangen. Wenn manche Leute lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit schauen, ist das okay, aber ich mache von meiner Stimme Gebrauch.

Ich bin Waise. Vieles in meinem Leben, vor allem die Bildung, verdanke ich deswegen dem Staat, also dem ANC. Aber die Partei ist nicht mehr die gleiche wie vor 20 Jahren. Sie hat sich in einen Moloch von egoistischen Karriereleuten verwandelt und fällt immer mehr auseinander. Man muss sich nur Jacob Zuma, den Präsidenten, anschauen: Wie kann der sich sein Privathaus verschönern lassen, wenn jeden Abend Tausende Kinder hungrig ins Bett gehen?

Ich wähle die Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA). Vielleicht können die etwas verändern und den Waisen und Armen in unserem Land die gleichen Chancen geben, die ich bekommen habe."

Ogtavia Snyers, 19, Kindergärtnerin in Manenberg

Parlamentswahl in Südafrika: Ogtavia Snyers: "Unsere Generation muss erst noch lernen, mit den ganzen Entscheidungen, die es bei Wahlen zu beachten gibt, umzugehen."

Ogtavia Snyers: "Unsere Generation muss erst noch lernen, mit den ganzen Entscheidungen, die es bei Wahlen zu beachten gibt, umzugehen."

(Foto: Thomas Schmelzer)

"Ich habe die Schule geschmissen und arbeite jetzt als Kindergärtnerin. Wenn ich morgens aufwache, denke ich als Erstes daran, was ich mit meinen Kindern machen kann. Jeden Tag bin ich von 7 bis 17 Uhr bei den Kleinen. So kann ich im Monat etwas Geld verdienen.

In der Zukunft will ich studieren. Mein Job macht mir Spaß, aber ich will mich weiterbilden. Ich glaube, dass ich dafür auch genügend Möglichkeiten haben werde. Meine Familie und mein Freund unterstützen mich jedenfalls.

Unsere Generation muss erst noch lernen, mit den ganzen Entscheidungen, die es bei Wahlen zu beachten gibt, umzugehen. Alle Leute um mich herum sagen gerade, dass ich die Demokratische Allianz wählen soll. Sie sagen, die Leute von der DA arbeiten hart. Also wähle ich die auch."

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