Parlamentswahl in Malaysia:Nervosität bis zur letzten Minute

Parlamentswahl in Malaysia: Anhänger der malaysischen Opposition: Das Bündnis kann mehr Kräfte mobilisieren als früher.

Anhänger der malaysischen Opposition: Das Bündnis kann mehr Kräfte mobilisieren als früher.

(Foto: AFP)

Fair ist der Wahlkampf in Malaysia nicht. Doch für das Regierungsbündnis könnte es bei der Wahl am Sonntag eng werden wie noch nie: Viele Bürger haben die Nase voll von Korruption und Machtmissbrauch - die Opposition hat zum ersten Mal eine echte Chance.

Von Arne Perras

Malaysias Premier Najib Razak zeigte kurz vor der Wahl doch noch Nerven. In einer der Umfragen fiel er in der Gunst der Bürger hinter seinen Rivalen Anwar Ibrahim zurück - das war nicht viel mehr als ein vages Stimmungsbarometer. Analysten sehen darin noch keinen klaren Trend. Und doch konnte der Premier das gar nicht gelassen nehmen: "Ich stimme dieser Umfrage nicht zu", erklärte er aufgeregt. "Wir haben unsere eigene Umfrage. Und unsere besagt, dass wir vorne liegen."

Spricht so ein Mann, der sich seines Sieges sicher ist? Es dürfte eng werden am 5. Mai, wenn Malaysia wählt. So eng wie noch nie. "Die Opposition hat hier zum ersten Mal eine echte Chance, an die Macht zu kommen", sagt die Analystin Bridget Welsh von der Singapore Management University. "Ein so spannendes Rennen hat das Land noch nie erlebt."

Für das Regierungsbündnis, die Nationale Front (BN), ist das ein nahezu unerhörter Gedanke. Deren Kräfte beherrschen das Land nun schon seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1957. Die meisten Funktionäre können sich ein Leben in der Opposition wohl nur schwer vorstellen. Selbst Mahathir Bin Mohamad, der Malaysia 22 Jahre lang führte, zieht es mit 87 Jahren immer noch in den Wahlkampf. Das Amt des Premiers führt längst ein anderer, derzeit ist es Razak. Aber der alte Mann kann sich nicht heraushalten, schon gar nicht jetzt, wo es ums Ganze geht.

Bislang hat sich die BN erstaunlich gut gehalten, wenn man an all die Umbrüche in der arabischen Welt denkt, wo Volksaufstände verkrustete politische Verhältnisse aufbrachen und korrupte Herrschercliquen davonjagten, die sich jahrzehntelang auf Kosten ihrer Völker bereicherten. Die Politologin Bridget Welsh glaubt, dass sich der Zorn und die Verzweiflung der Malaysier bisher doch in Grenzen hielten, und so fehlte der Nährboden für radikale, oft gewaltsame Umbrüche, wie man sie in anderen Teilen der Welt beobachtet hat.

Malaysias Regierung hat all die Jahre Arbeitsplätze für seine Menschen geschaffen, die Ökonomie ist stetig gewachsen und tut dies noch immer, vergangenes Jahr waren es beachtliche 5,6 Prozent. "Die Leute, die ihre Jobs haben, wollen das nicht aufs Spiel setzen", sagt eine IT-Spezialistin aus Kuala Lumpur, die nur über Politik sprechen möchte, solange ihr Name nicht genannt wird. Viele hätten gesehen, was aus den Aufständen in der arabischen Welt geworden ist - und deshalb überlegten sie nun zweimal, bevor sie auf die Straße gingen, um zu protestieren.

Andererseits ist es aber auch so, dass die Menschen von der massiven Korruption im Land die Nase voll haben, wie die Analystin Welsh beobachtet. Von der nächsten Regierung erwarten die Bürger dringend, dass sie den Sumpf trockenlegt, wie Meinungsforscher vom Merdeka Centre herausgefunden haben.

Besonders krass zeigt sich der Missbrauch der Macht zum Beispiel im Osten Malaysias, auf der Insel Borneo, wo die Menschen trotz ihres großen Ressourcenreichtums zu den ärmsten im Land zählen. Seit Jahrzehnten mähen Motorsägen dort den Regenwald nieder, auf riesigen Flächen werden Palmölplantagen angepflanzt - einer der lukrativsten Wirtschaftszweige Malaysias.

Kampf um junge Wähler

Aber in beiden Staaten Ostmalaysias, Sabah und Sarawak, lasten schwere Korruptionsvorwürfe auf den Provinzfürsten der regierenden Partei. "Die Ökonomie Malaysias ist gefangen im Netz politischer Interessen", sagt die Politologin Welsh. So werde das wachsende Einkommen nicht gerecht genug verteilt.

Es gilt als sicher, dass die Opposition jetzt mehr Kräfte mobilisieren kann als früher. Ob der neue Schwung reicht für einen Sieg, ist ungewiss. Einen fairen Wahlkampf erlebt das Land nicht, Fernsehen und Printmedien werden weiterhin von der BN kontrolliert. Wie eine Studie der Universität Nottingham zeigt, preisen die TV-Sender und lokale Zeitungen vor allem das Regierungsbündnis. Anders ist das in den digitalen Medien, die sehr viel freier berichten können. Die Regierung hat davon abgesehen, das Internet zu zensieren, so hat sich dort eine kritische Debatte über Malaysias Zukunft entwickelt. Und es sind viele junge Leute, die daran teilhaben.

Den Kampf um die jungen Wähler führen beide Lager mit wachsendem Eifer. Immerhin jeder fünfte der 13,3 Millionen registrierten Wähler wird zum ersten Mal an die Urne gehen. Amtsinhaber Najib Razak versucht, sich als Reformer in Szene zu setzen, um das große Werk seiner Partei United Malays National Organisation (Umno) zu vollenden. Er attackiert das Bündnis um Anwar Ibrahim als unkalkulierbares Risiko, das die Zukunft Malaysias verspielen könnte.

In der Opposition Pakatan Rakyat - "die Volksallianz" - haben sich sehr unterschiedliche Kräfte zusammengeschlossen: eine Partei der ethnischen Chinesen, Islamisten und die multi-ethnische People's Justice Party von Anwar Ibrahim, dem charismatischen Veteran der Opposition. Die Regierung hatte immer wieder versucht, diesen Mann durch fragwürdige Prozesse zu zermürben, mehrere Jahre lang war er im Gefängnis. Nun ist er 65 Jahre alt und will es noch einmal versuchen.

Triumphiert Anwar Ibrahim, dann würde in Malaysia wohl auch die von der BN verordnete Bevorzugung der ethnischen Malaien abgeschafft. Dieses System wurde einst eingeführt, um den wirtschaftlich schwächeren Malaien im Staat bessere Aufstiegschancen zu geben - zu Lasten der chinesischen Minderheit, die die Wirtschaft dominierten.

Viele argumentieren, dass diese Politik zu starr und ungerecht sei, dass sie die Gesellschaft spaltet und auch der Wirtschaft immer mehr schade. Inder und Chinesen fühlen sich als Bürger zweiter Klasse, und gerade gut ausgebildete Kräfte, die Malaysia bestens gebrauchen könnte, verlassen wegen dieser Politik das Land. Eine Mehrheit der Malaysier glaubt inzwischen, dass die Bevorzugung nach ethnischen Kriterien überholt ist und dass künftig alleine die Leistung zählen sollte.

Aber werden sie die Nationale Front deshalb abwählen? Die meisten Bürger haben nie eine andere Regierung in ihrem Leben gesehen, sie zögern noch. Vielleicht bis zur letzten Minute. Das macht jede Prognose vor der Wahl wertlos.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: