Parlamentswahl in Japan:Ruck nach rechts in die Vergangenheit

Konservativ bis stramm nationalistisch - bisher standen alle Regierungen Tokios rechts, doch sie haben sich zurückgehalten. Damit ist es nun vorbei. Der Wahlkampf der Siegerpartei LDP war vom bösen Ton und den Forderungen der Rechtsextremen geprägt. Und mit Shinzo Abe kommt ein Mann an die Macht, der von einem Japan der Vergangenheit träumt.

Ein Kommentar von Christoph Neidhart, Tokio

Japan rückt nach rechts, noch weiter nach rechts. Schon bisher waren die Regierungen stets konservativ, die meisten sogar stramm nationalistisch - auch die jetzt abtretende von Premier Yoshihiko Noda. Aber all diese Kabinette haben sich zurückgehalten.

Mit diesem Klima ist es jetzt vorbei: Shintaro Ishihara, der einstige Bürgermeister von Tokio, der den Inselstreit mit Peking im Alleingang vom Zaun gerissen hat, sagt auch offiziell "Shina", ein Schimpfwort, wenn er von China spricht. Er fordert Atomwaffen für Japan und scheut sich nicht, laut über einen kleinen Krieg mit der roten Volksrepublik nachzudenken. Zusammen mit anderen Rechtspopulisten hat er den bösen Ton und die Forderungen der Rechtsextremen in den Wahlkampf eingebracht - und damit salonfähig gemacht.

Seither kann Shinzo Abe von der Liberaldemokratischen Partei (LDP), Japans designierter nächster Regierungschef, endlich so reden, wie er denkt. In seiner erfolglosen ersten Amtszeit als Premier (September 2006 bis September 2007) hatte sich Abe noch nach China bequemt, um den Ausgleich zu suchen.

Das ist kaum mehr vorstellbar.

Schon damals versuchte Abe, die Verfassung zu ändern. Ihr Paragraf 9 verbietet Japan jede Art Krieg, erlaubt ist nur die Selbstverteidigung auf dem eigenen Territorium. Abe will nicht nur diesen Friedensparagrafen abschaffen, er will auch die Menschenrechte beschränken und die Gleichberechtigung der Frauen streichen. Und in der Außenpolitik möchte er die sogenannte Kono-Erklärung widerrufen, mit der Japan eingestanden hat, dass seine Armee im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende junge Frauen als Zwangsprostituierte aus Korea, China und Südostasien in Feldbordelle verschleppte. Kurzum: Der künftige Premier träumt von einem Japan der Vergangenheit.

Keine nennenswerte Gegenbewegung

Die Regierungen in Tokio haben es bis heute versäumt, sich den Verbrechen gegen die Menschlichkeit ernsthaft zu stellen, die Japans Armee im Zweiten Weltkrieg begangen hat. Zwar haben mehrere Premierminister eher gewundene Entschuldigungen abgegeben, aber andere Politiker haben diese jeweils umgehend abgeschwächt.

In den letzten Jahren erhöhten China und Südkorea den Druck auf Japan, es müsse seine üble Historie aufarbeiten. Zur Antwort flohen Japans Regierungen, die es seit zwei Jahrzehnten nicht schaffen, das Land aus seiner Dauerkrise zu führen, in den Nationalismus. Viele Wähler sind zwar empört über China, aber sie wollen keineswegs ein nationalistisches Japan.

Eine nennenswerte Linke gibt es in Japan schon lange nicht mehr. Nippons Politiker erklären gerne, die Grundhaltung ihres Volkes sei eben konservativ. Sie haben dabei vergessen, dass es in der Nachkriegszeit starke sozialistische und kommunistische Parteien und eine wuchtige Studentenbewegung gab. Diese Linke hat sich nicht in Luft aufgelöst. Sie wurde einerseits unterdrückt und andererseits in den politischen Mainstream integriert und damit erstickt. Wie man heute weiß, half die CIA mit Geld, in Japan die Rechte an der Macht zu halten. Nur ein konservatives Japan ist eine zuverlässige Militär-Basis im Pazifik vor dem asiatischen Kontinent.

Nach Fukushima wurde deutlich, wie Atomindustrie, Wissenschaft, Politik und Leitmedien unter eine Decke stecken: das "nukleare Dorf" Japan. Die Kungelei beschränkt sich nicht auf die Nuklearpolitik. Die großen Medien sind abhängig von der Industrie, sie waren stets eng mit der Partei LDP verbandelt - so eng, dass sie nach dem Regierungswechsel 2009 von der "Opposition an der Macht" schrieben. Sie haben den - keineswegs linken - Demokraten von Premier Noda nie eine Chance gegeben. Eine Gegenöffentlichkeit entsteht in Japan erst allmählich.

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