Parlamentswahl im Irak:Knapper Sieg für die Opposition

Iraks früherer Regierungschef Allawi hat bei der Parlamentswahl eine knappe Mehrheit errungen. Premier Maliki will das Ergebnis allerdings nicht anerkennen.

Tomas Avenarius

Das Bündnis des schiitischen Politikers Ijad Allawi hat bei der Parlamentswahl im Irak die meisten Stimmen erhalten. Das gab die Wahlkommission am Freitagabend in Bagdad bekannt. Auf dem zweiten Platz landete die Rechtsstaat-Koalition des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki.

Maliki zog das Ergebnis in einer ersten Reaktion in Zweifel. Er deutete an, er werde das Resultat anfechten. "Wir bestehen darauf, dass die Wahlzettel erneut von Hand ausgezählt werden", hatte zuvor einer seiner Vertrauten gesagt. Malikis Rechtsstaat-Koalition hatte ihre Forderung nach Neuauszählung zuvor mit angeblichen Manipulationen begründet. Sie wollte sich an das Verfassungsgericht wenden. Ausländische Beobachter hatten die Wahl und die Auszählung als weitgehend korrekt bezeichnet.

Knapper Vorsprung

Auf Allawis Al-Irakija-Liste entfallen laut Wahlkommission 91 der 325 Mandate. Auf dem zweiten Platz landete mit 89 Sitzen die Rechtsstaat-Koalition Malikis. Den dritten Platz belegte die religiöse Schiiten-Allianz von Ammar al-Hakim und Muktada al-Sadr mit 70 Mandaten. Die Kurden-Allianz darf 42 Abgeordnete ins Parlament entsenden. Die US-Regierung sprach von einer "wichtigen Etappe in der demokratischen Entwicklung des Irak". Außenamtssprecher Philip Crowley beglückwünschte die Iraker zu dem Votum. Es gebe keine Hinweise auf verbreiteten Wahlbetrug.

Premier Maliki wird bis zur Bildung einer neuen Regierung weiter amtieren. Die Zusammenstellung eines Kabinetts wird schwierig. Da keine der großen Parteiengruppen eine klare Mehrheit erzielt hat, sind langwierige Koalitionsgespräche unvermeidlich. Je länger die Regierungsbildung dauert, desto näher rückt der Abzugstermin der US-Kampftruppen. Washington will bis Ende August die Einheiten abziehen. Von den derzeit fast 100.000 US-Soldaten im Irak sollen etwa 50.000 bleiben. Diese werden großteils Ausbilder und Berater sein.

Nachdem die zweite Parlamentswahl nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein trotz zahlreicher Anschläge erfolgreich verlaufen war, hatte es bei der Auszählung von Anfang an Probleme gegeben. Sie war immer wieder verzögert worden, das Computersystem zusammengebrochen. Malikis Zweifel an der Wahlkommission wirkten jedoch aufgesetzt: Er hatte sich zu Beginn der Auszählung unter Berufung auf erste Zahlen selbst zum Sieger erklärt. Nun sagte er: "Diese Ergebnisse sind nicht endgültig." Vielleicht würde sich ja zeigen, dass einige der Kandidaten gegen Recht verstoßen hätten oder in Terror verwickelt seien.

Unterstützung der Sunniten

Der offizielle Sieger Allawi ließ sich von seinen Wählern feiern. Vor seinem Haus in Bagdad marschierten Musikkapellen und jubelnde Anhänger auf. Auch in anderen Städten wie Mossul wurde gefeiert. Allawi sagte dem TV-Sender al-Scharkija, er werde sich bemühen, die Beziehungen zwischen dem Irak und den anderen arabischen Staaten zu verbessern.

Wie sich im Verlauf der Auszählung zeigte, konnte Allawi die Unterstützung der Sunniten gewinnen: Die sunnitische Minderheit hatte die erste Parlamentswahl 2005 boykottiert und sich so ins politische Aus gebracht. Der säkulare Allawi bietet den Sunniten nun die Chance, sich wieder in den politischen Prozess einzuschalten. Der 65-jährige Allawi, ein Arzt, gilt als Wunschkandidat Washingtons. Er war vor der ersten Parlamentswahl 2005 kurzzeitig Regierungschef des Irak, nachdem ihn der damalige Übergangsregierungsrat auf Drängen der USA eingesetzt hatte.

Vor dem Sturz Saddam Husseins hatte Allawi fast 30 Jahre im Exil gelebt, die meiste Zeit davon in Großbritannien. In dieser Zeit soll er sehr enge Kontakte zu US- und britischen Geheimdiensten geknüpft haben. Allawi ist ein säkularer Schiit. Er gilt wie Maliki als Politiker der harten Hand. Bekannt wurde sein Satz: "Wir werden mit der Härte des alten Regimes zurückschlagen, aber ohne dessen Brutalität".

Dazu passend wird im Irak erzählt, dass Allawi in einem Bagdader Gefängnis 2004 eigenhändig Gefangene erschossen habe. Verhasst ist er vor allem den religiösen Extremisten. Muqtada al-Sadr, heute einer der wichtigsten schiitischen Politiker, nannte Allawi einst "schlimmer als der Teufel". Bereits 1978 versuchte ein Attentäter im Auftrag des irakischen Geheimdienstes, Allawi nachts in London mit der Axt zu erschlagen - Allawi kam schwer verletzt davon.

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse wurden mindestens 42 Menschen bei einem Doppelanschlag im Norden des Landes getötet. 65 Menschen seien verletzt worden, als die beiden Sprengsätze am Freitag auf einem Markt in Chalis, etwa 80 Kilometer nördlich von Bagdad, detonierten, teilte die Polizei mit.

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