Parlamentswahl:Georgien prüft seinen Rosenrevolutionär

Große Hoffnungen weckte er einst, die Georgier waren begeistert von Präsident Saakaschwili. Inzwischen werfen viele ihm eine autoritäre Politik im Gewand der Demokratie vor. Zudem hat ein Folterskandal seiner Wahlkampagne geschadet - die Opposition sieht sich vor dem Sprung an die Macht.

Frank Nienhuysen, Tiflis

Es gibt viele Bilder im Gebäude der Regierungspartei, aber nur wenige, auf denen der Präsident fehlt. Eines zeigt eine riesige georgische Flagge, die über den Köpfen demonstrierender Menschen gespannt ist. Es ist der Tag im Herbst 2003, an dem Eduard Schewardnadse als Präsident zurücktrat und für Michail Saakaschwili alles begann.

Election preparations in Georgia

Die Wahlkabinen stehen bereit: An diesem Montag entscheiden die Georgier, ob sich Saakaschwilis Partei an der Macht halten kann.

(Foto: dpa)

Der Rosenrevolutionär war damals gerade mal Anfang 30, ein feuriger junger Politiker, geprägt durch seine Zeit als Jurist in den USA, der ganz auf den Westen setzte. Chiora Taktakischwili, Abgeordnete und Sprecherin der Regierungspartei Vereinte Nationale Bewegung, führt im Foyer ein wenig herum. Vorbei an den Symbolen des georgischen Kurses: an Stars and Stripes, der Flagge der Nato, der Fahne der Europäischen Union. Vorbei an Fotos von Saakaschwili mit Nicolas Sarkozy, beim Spaziergang mit Hillary Clinton, beim Abnehmen einer Militärparade.

Neun Jahre führt Saakaschwili nun schon sein Land, aber wohl noch nie ist die Zeit für ihn so schwer gewesen. Bei den Parlamentswahlen am Montag entscheiden die Georgier, ob sich Saakaschwilis Partei an der Macht halten kann oder ob sie verliert an den "Georgischen Traum" von Herausforderer Bidsina Iwanischwili, dem reichsten Mann im Lande. Es entscheidet sich aber auch, ob das Land den Test zur Demokratie besteht, der Verlierer das Ergebnis akzeptiert, nach all den Spannungen der vergangenen Wochen.

Chiora Taktakischwili ist erst 31 Jahre alt, und doch schon seit einigen Jahren im Parlament. Sie kennt die Verdienste, die sich ihre Partei auf die Fahnen geschrieben hat: die Verfassungsreform, die dem Parlament und dem künftigen Ministerpräsidenten mehr Macht einräumt, das Wirtschaftswachstum, Fortschritte bei den Menschenrechten und der Demokratie, den Kampf gegen die Korruption. "Die Lage in Georgien hat sich eindeutig verbessert", sagt sie. Dass die Regierung dennoch mehr kämpfen muss denn je, hat auch mit dem Präsidenten zu tun.

Begeistert waren die Georgier, als Saakaschwili zu Beginn seiner Amtszeit mit einem Schlag das komplette Personal bei der Polizei austauschte und insbesondere die Verkehrspolizisten aufhörten, ihre Hand für Bestechungsgeld aufzuhalten. Viele Menschen werfen ihm inzwischen jedoch eine autoritäre Politik im Gewand der Demokratie vor. Trotz der ansehnlichen Wirtschaftszahlen ist die Armut groß. Viele Menschen klagen über hohe Strom- und Gaspreise, darüber, dass Benzin in Georgien teurer ist als im Nachbarland Armenien. Nicht nur die Opposition, auch die Organisation Transparency International spricht von einer "Eliten-Korruption", von einem Staat, in dem sich ein kleiner einflussreicher Teil bereichere, vor allem in der Energie- und Bauwirtschaft.

Auch in Washington ist man vorsichtiger geworden

Saakaschwili hatte einst große Erwartungen geweckt, doch in einem Land, in dem die Regierungspartei fast 80 Prozent der Sitze im Parlament hat, wendet sich jede Enttäuschung auch gegen den Staatschef. Als Mitte des Monats ein Video mit Folterszenen aus einem georgischen Gefängnis an die Öffentlichkeit kam, mussten zwei Minister ihre Posten räumen. "Aber das allein reicht nicht aus, auch der Generalstaatsanwalt und der Justizminister müssten zurücktreten, sonst gibt es kein Vertrauen", sagt Tamar Chugoschwili, die Leiterin des Verbandes junger Juristen. "Die Debatte über das unmenschliche Video hat unsere ganze Wahlkampagne getroffen", räumt auch Parteisprecherin Taktakischwili ein.

Für die Opposition ist der Skandal ein Symptom für die Willkürherrschaft, für das moralische Ende der Saakaschwili-Führung. Sie sieht sich auf dem Weg an die Macht, mit einem klaren Vorsprung und fast zwei Dritteln der Stimmen. Aber so weit ist es noch nicht. Andere Institute sahen zuletzt den Vorsprung der Regierung bei fast 20 Prozent, allerdings war das vor dem Folterskandal.

Der Westen, allen voran die USA, haben Saakaschwili in all den Jahren immer unterstützt. Nicht zuletzt, weil er im strategisch wichtigen Kaukasus Russland die Stirn geboten hat. Aber auch in Washington ist man vorsichtiger geworden. Offenbar halten die USA die Beteuerungen von Iwanischwili für glaubwürdig, dass auch er Georgien in die EU und in die Nato führen will. Saakaschwili jedenfalls wird auch nach der Parlamentswahl noch eine Rolle in Georgien spielen. Seine Präsidentschaft läuft erst im nächsten Jahr ab, und noch einmal kann er nicht kandidieren. Dass er, einen Wahlsieg seiner Partei an diesem Montag vorausgesetzt, dann das gestärkte Amt des Ministerpräsidenten übernehmen will, wird im Regierungslager dementiert. Aber in Georgien hält man in diesen Tagen vieles für möglich.

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