Ausrutscher im Bundestag:"Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch"

Gealbert und geschimpft wird immer - aber manche Sätze sind unvergessen: die denkwürdigsten Ausrutscher aus mehr als 60 Jahren Bundestag. In Bildern.

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Bundestag; dpa

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Es wurde gealbert, gestichelt und geschimpft: Im "Parlamentarischen Schimpfbuch" sammelt Autor Günter Pusch die denkwürdigsten Ausrutscher aus 60 Jahren Bundestag.

Zur Eröffnung des Bundestages 1949 spielt das Bonner Orchester Beethoven. Doch schon zwei Wochen später erklingen die ersten Misstöne. "Hetzer", schleuderte der KPD-Vertreter Heinz Renner vom Plenum aus Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) entgegen. Der erste Ordnungsruf, der im Protokoll verzeichnet wird.

Günter Pursch hat auch die restlichen Beleidigungen gesammelt - und dabei 240.000 Seiten der stenografischen Wortprotokolle durchsucht. Glücklicherweise stünden die Protokolle mittlerweile auch digital zur Verfügung, erzählt Pursch. Er habe eine entsprechende Suchmaske entwickelt, die ihm bei der Auswahl half.

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Herbert Wehner; dpa

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Auf den unangefochtenen Ersten Platz der Schimpfliste kommt Herbert Wehner. 58 Ordnungsrufe hat der SPD-Politiker erhalten. Vor allem mit dem CSU-Staatssekretär Erich Riedl lieferte sich Wehner gerne Duelle. So 1982:

Riedl, nach einem Zwischenruf von Wehner: Herr Kollege Wehner, passen Sie auf! Der Präsident hat seine Strichliste dabei! Sie kriegen wieder einen Ordnungsruf.

Wehner: Auf den Strich gehe ich nicht! Das können Sie machen!

Riedl: Wenn Sie sich mit mir einlassen, kriegen Sie Ordnungsrufe. Aber Sie bekommen Ihre 100 Ordnungsrufe in diesem Parlament noch voll, Herr Wehner, da bin ich sicher.

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Herbert Wehner; AP

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Auch vor anderen Vorwürfen schreckte der streitbare Politiker nicht zurück:

Riedl: Ach, Lesen ist kein großes Problem. Nur: sich daran halten, Herr Wehner, das ist das Problem! Das ist das Problem!

Wehner: Sie haben wohl zuviel Alkohol getrunken!

Riedl: Herr Wehner, machen Sie ruhig so weiter! Dann kriegen Sie heute Ihren 76. Ordnungsruf. Auf den würde ich mich schon freuen ...

Wehner: Sie verwechseln wohl den Bundestag mit der Oktoberwiesn, Sie Flaschenkopf! ...

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Grass, Wehner; dpa

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Den CDU-Abgeordneten Jürgen Wolhlrabe titulierte er in einer Sitzung als "Übelkrähe".

Foto: dpa (Hier im Bild mit Günter Grass 1972)

Ottmar Schreiner; AP

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Auf Rang 2 der Schimpfliste liegt der SPD-Politiker Ottmar Schreiner mit 40 Ordnungsrufen.

Manche der Beleidigungen Schreiners riefen sogar poetische Assoziationen hervor, wie 1987:

Schreiner, SPD: Nach der Rede des Bundesarbeitsministers habe ich mich gefragt, was denn schlimmer sei: eine Hand in der Tasche oder ein Brett vor dem Kopf?

Jochen Feilcke, CDU/CSU: Und Sie haben kein Brett vor dem Kopf beim Reden?

Schreiner: Sie sind von Brettern geradezu umzingelt, Herr Kollege Feilcke.

Vizepräsident Heinz Westphal, SPD: Die Sache mit dem Brett vor dem Kopf fand ich auch nicht sehr parlamentarisch. Allerdings würde ich gern hinzufügen, daß eine große deutsche Schriftstellerin, Maria von Ebner-Eschenbach, zu dem Thema gesagt hat: "Jeder Mensch hat sein Brett vor dem Kopf. Es kommt allerdings auf die Entfernung an."

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Joschka Fischer; dpa

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Auf dem dritten Platz mit 12 Ordnungsrufen liegt der Grünen-Politiker Joschka Fischer. Dafür ist einer seiner Aussprüche am Bekanntesten. 1984, nach heftigen Tumulten und mehreren Zwischenrufen Fischers, als der Grünen-Abgeordneten Christa Nickels das Wort entzogen wird, entspannt sich folgender Dialog zwischen Fischer und Vizepräsidenten Richard Stücklen:

Stücklen: Herr Abgeordneter Fischer, ich schließe Sie von der weiteren Teilnahme an der Sitzung aus!

Fischer: Schließen Sie uns doch am besten gleich alle aus!

Stücklen: Ich unterbreche die Sitzung des Bundestages, bis der Herr Abgeordnete Fischer, der von der weiteren Teilnahme der Sitzung ausgeschlossen ist, den Plenarsaal verlassen hat. Die Sitzung ist unterbrochen.

Danach ruft Fischer: "Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch, mit Verlaub!"

Dies ist jedoch nicht mehr im Protokoll verzeichnet, da die Sitzung unterbrochen ist.

Fischer nimmt den Satz am nächsten Tag zurück.

Foto: dpa (Hier im Bild mit Hessens Ministerpräsident Holger Börner der Fischer 1985 als Grünen-Umweltminister für den Landtag vereidigt.

Franz Josef Strauß; dpa

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Franz Josef Strauß, der ebenfalls als großer Schimpfer verschrien war, hat lediglich einen Ordnungsruf bekommen.

Er wurde eher zur Zielscheibe des Spottes anderer Abgeordneter. 1951 reicht es dem KPD-Abgeordneten Heinz Renner, nachdem Strauß mehrfach durch Zwischenrufe stört:

Renner: Herr Strauß, Sie sollten sich auch bemühen, Ihre bayerische Überheblichkeit in einer ein bißchen konzilianteren Form hier zum Ausdruck zu bringen.

Präsident Hermann Ehlers, CDU/CSU: Herr Abgeordneter Renner, Sie wollen natürlich nicht die Bayern insgesamt beleidigen?

Renner: Nein, nur ihn!

Foto: dpa (Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß (r.) und Richard Stücklen (CSU) am 17. Mai 1972

Otto Schily, ddp

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Eine heftige Beleidigung musste sich Otto Schily 1983 gefallen lassen, damals als frisch eingezogener Grünen-Abgeordneter. Der CDU-Politiker Dietmar Kansy nannte ihn am 22. November einen "Mini-Goebbels".

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Otto Schily, Reuters

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Zehn Jahre später, als Schily schon SPD-Bundesinnenminister war, klangen die Beleidigungen milder. So im März 2003:

CSU-Politiker Andreas Scheuer zu Schily: Der griesgrämige Kabinettsgrufti Schily, der gerade eingetroffen ist, agiert hier im Parlament mit Scheibenwischergesten und unflätigen Kommentaren....

Vizepräsidentin Susanne Kastner, SPD: Herr Kollege Scheuer, Ihre Ausdrucksweise gegenüber dem Bundesinnenminister war beleidigend. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf und bitte Sie herzlich, sich dafür zu entschuldigen.

Andreas Schmidt, SPD: Für die erste Rede gleich ein Ordnungsruf! Ein schöner Einstieg.

Foto: Reuters

Guido Westerwelle; dpa

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Moderne Zielscheibe des Spotts im Bundestag ist oft der FDP-Politiker Guido Westerwelle. Besonders gerne streitet sich Franz Müntefering (SPD) mit ihm.

Franz Müntefering: Die FDP hat ein Problem.

Westerwelle, FDP: Nur eines?

Müntefering: Eigentlich zwei: Sie und noch etwas.

Foto: dpa

Bundestag; ddp

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Tendenziell sei es aber früher im Parlament emotionaler und härter zugegangen, meint Pursch. Im ersten Bundestag habe es noch 159 Ordnungsrufe und gar 17 Sitzungsausschlüsse gegeben, in dieser Wahlperiode dagegen erst drei. Allerdings wirkten viele Aussagen heute anders als früher nicht mehr beleidigend. Das Wort "geil" zum Beispiel werde heute nicht mehr gerügt.

Foto: ddp

Text: sueddeutsche.de/jost

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