Pariser Panthéon:Gleichheit vor den Göttern

PORTRÄTS BERÜHMTER FRAUEN AM PARISER PANTHEON

Porträts berühmter Frauen am Pariser Panthéon. Bisher werden im Tempel der Republik nur zwei Frauen geehrt.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Große Ungleichheit in Frankreichs Nationaltempel: Bisher werden im Pariser Panthéon fast ausschließlich Männer für ihre Verdienste um das Vaterland geehrt. Eine Studie empfiehlt Präsident François Hollande nun, künftig nur noch Frauen zu berufen.

Von Christian Wernicke, Paris

Der Koloss auf dem Hügel im fünften Arrondissement gilt als Tempel der Republik. Und sein Name - aus dem Altgriechischen entliehen - erhebt einen denkbar unbescheidenen Anspruch: Heimstatt "aller Götter" will das Pariser Panthéon sein. Zumindest aller französischen. Wer hier rein darf, wessen Asche oder Gebeine hier ruhen dürfen, das hat die Nation in Stein gemeißelt.

"Den großen Männern - ein dankbares Vaterland", steht oben am Portal (Aux grands Hommes, la patrie reconnaissante). Tatsächlich finden sich in der Krypta die sterblichen Überreste von Herren, die alle Welt kennt: Am längsten liegt hier Voltaire (seit 1791), zu ihm gesellten sich später Geistesgrößen wie Victor Hugo und Emile Zola, Nationalhelden wie der Widerstandskämpfer Jean Moulin oder Staatsmänner wie Europas Gründervater Jean Monnet.

73 Landsleute ehrt Frankreich bis heute im Panthéon. Exakt 71 Männer und zwei Frauen. Diese arg einseitige Mischung empört viele Franzosen. Nicht nur Feministinnen wie Clémence Helfter verlangen seit Jahren, es müsse mehr Gleichberechtigung einziehen unter den "ewigen Bewohnern" des Nationalmonuments. Schließlich sei das Wort "Hommes" am Eingang über den korinthischen Säulen in Versalien geschrieben worden. "Das große 'H' meint auch Frauen", erklärt die Aktivistin.

Helfter deutet dieses "Ungleichgewicht" als schlechtes Erbe einer Zeit, da "die Talente von Frauen weniger anerkannt wurden als die der Männer". Obendrein hat nur eine der beiden "Göttinnen" den Weg ins Panthéon bisher aufgrund ihrer eigenen Leistung gefunden: Das ist Physikerin Marie Curie, Pionierin bei der Erforschung der Radioaktivität. Die andere, eine gewisse Sophie Berthelot, kam als Gattin in die Ehrengruft: Ihr Mann, der Chemiker Marcellin Berthelot, hatte verfügt, er wolle auch nach dem Tode stets die Ehefrau an seiner Seite wissen.

Entscheidung noch vor Jahresende

Nun soll alles besser werden. Gleicher, gerechter. Eine neue Studie über die Zukunft des Panthéons empfiehlt Präsident François Hollande nun, fortan keine Männer mehr in den Nationaltempel zu berufen. Ideale Anwärter seien vielmehr "Frauen des 20. Jahrhunderts", die sich durch "ihren Mut" und ihr "republikanisches Engagement" ausgezeichnet hätten. Dieses Profil hat Philippe Bélaval entworfen, der Chef des Zentrums französischer Nationalmuseen (CMN).

Den klugen Mann treibt weniger Quotendenken als die fundamentale Erkenntnis, dass die Besucher immer weniger den Sinn und die Botschaft eines Mausoleums verstünden, in dem die Hälfte der Bevölkerung so gut wie nicht vertreten sei. Tote Frauen hingegen, so Bélaval, würden das Panthéon wiederbeleben: "Dank ihrer wird das ganze Volk ins Panthéon einziehen" und "sich besser in ihnen und in der Republik wiedererkennen".

Es ist in Paris kein Geheimnis, dass François Hollande der Grundtenor des Berichts gefällt. Der Sozialist, dem als Präsident das letzte Wort über die nächsten "Panthéonisierungen" zusteht, will in Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krise die Symbolkraft des Denkmals nutzen, um "die Grundlagen der Republik zu stärken". Zudem ist der Ruf nach mehr "Vergötterung" von Frauen gerade auf der französischen Linken besonders stark. Hollande, so heißt es aus dem Élysée, wolle noch vor Jahresende entscheiden. Es gilt als sicher, dass der 74. "grand Homme" eine Landsfrau sein wird.

Die Nation muss sparen

Der neue Report spricht keine direkte Empfehlung aus. Aber im Anhang verweist CMN-Direktor Bélaval auf eine Umfrage, die sein Zentrum im September per Internet durchführte. Mehr als 30.000 Bürger nannten da ihren nationalen Wunsch-Gott, und siehe da, ganz oben auf der Liste steht eine Frau. Olympe de Gouges gilt vielen Französinnen als "erste Feministin".

Während der französischen Revolution verfasste sie die "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin", zwei Jahre später wurde sie von Jakobinern per Guillotine ermordet. Andere beliebte Anwärterinnen auf einen Platz im Panthéon wären die Ethnologin und Résistance-Kämpferin Germaine Tillion, die Anarchistin Louise Michel oder die Schriftstellerin Simone de Beauvoir.

Frankreichs Frauenrechtlerinnen fordern, Hollande solle eiligst und kräftig nachholen. "Nur eine Frau pro Jahr oder gar während der gesamten Präsidentschaft, das reicht nicht", drängt Clémence Helfter. Doch es ist unwahrscheinlich, dass das Panthéon nun eine feminine Welle erfasst wird. Der feierliche Staatsakt einer "Panthéonisierung" verschlingt über eine Million Euro, und die Nation muss sparen.

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