Papst in Deutschland:Willkommen in der schwierigen Heimat

Die "Wir sind-Papst"-Begeisterung nach der Wahl Benedikts XVI. hat die Irritationen zwischen den Deutschen und der Kirche in Rom nur kurzzeitig überdeckt: In den vergangenen Jahren hat die katholische Kirche sehr an Ansehen und Glaubwürdigkeit verloren. Auch wenn sich der Papst viel Mühe bei seinem Besuch gibt, Deutschland wird für die Kirche aus vielerlei Gründen immer ein schwieriges Land bleiben.

Matthias Drobinski, Berlin

Schwarz ragt das Berliner Olympiastadion in den Himmel der Großstadtnacht, im Innern aber ist es taghell. Gabelstapler sausen, der Altar ist schon gedeckt mit dem weißen Tuch, geschützt mit Luftpolsterfolie. Hinter diesem Altar also wird er stehen, der Papst, der an diesem Donnerstag den Glauben der Katholiken stärken soll.

Willkommen daheim, Heiliger Vater, in Deutschland, wo bis zu 300.000 Menschen in Berlin, Erfurt, Etzelsbach und Freiburg gemeinsam mit Benedikt XVI. beten und singen werden. Willkommen in Deutschland, wo mehr als 100 Abgeordnete des Bundestages jener Rede fernbleiben werden, die als die wichtigste des Besuches gilt; wo 10.000 und mehr Menschen gegen den Besucher demonstrieren werden, in dem sie den Inbegriff des Starren und Doktrinären sehen.

Am ersten Tag dieser Heimkehr wird Benedikt XVI. einem katholischen Bundespräsidenten begegnen, der als wiederverheirateter Geschiedener von der Kommunion ausgeschlossen ist. Einer evangelischen Bundeskanzlerin, die in zweiter Ehe lebt, einem katholischen Regierenden Bürgermeister, der als bekennender Schwuler ohnehin quer zur katholischen Lehre liegt. Klaus Wowereit, der Bürgermeister, hat Verständnis für die Papstgegner geäußert, Christian Wulff, der Präsident, wünscht sich eine "befreiende Botschaft" für Millionen Wiederverheiratete. Willkommen, Papst Benedikt: in Deutschland, der schwierigen Heimat.

Deutschland - ein schwieriges Land für die Kirche

Der Papst gibt sich Mühe mit dieser Heimat, in der die katholische Kirche so sehr an Ansehen und Glaubwürdigkeit verloren hat. Mit seinen 84 Jahren mutet er sich 17 Ansprachen in vier Tagen zu. Und doch wird Deutschland für die katholische Kirche ein schwieriges Land bleiben. Zu tief verwurzelt ist das gegenseitige Nichtverstehen. Und viel zu sehr hat sich dieses Nichtverstehen auch an Joseph Ratzinger festgemacht.

Aus römischer Sicht hat die Kirche in Deutschland etwas Unzuverlässiges, Aufsässiges. Sind die Katholiken hier nicht stärker vom Geist der Reformation infiziert als anderswo? Gab es hier nicht im 19. Jahrhundert eine starke nationalkirchliche Bewegung, die Glaube und Aufklärung versöhnen wollte - gegen den zunehmenden Antimodernismus in Rom? Sind nicht die in Deutschland so starken katholischen Verbände Kinder der bürgerlichen Märzrevolution von 1848? Und steckt nicht hinter der engen Staat-Kirche-Bindung in Deutschland der Versuch, die Kirche staatlich zu vereinnahmen?

Deutsche Bischöfe berichten nach Besuchen im Vatikan, wie schwer es ihnen fällt, zu erklären, dass die Kirche in Deutschland sich trotzdem an den Papst gebunden sieht, dass eine unabhängige Theologie an staatlichen Universitäten nicht Glaubensverlust bedeutet, dass kritische Jugendverbände auch ein Segen für die Kirche sein können. Spricht man mit Menschen im Vatikan, finden die wiederum die Deutschen nervend: Ist ein Italiener nicht einverstanden mit der Kirchenlehre, handele er einfach anders. Die Deutschen dagegen zettelten dann immer eine Grundsatzdebatte an.

Vom Unkritischen zum Überkritischen

Joseph Ratzinger ist Kind und Kritiker dieser Kirche zugleich. In Deutschland wuchs er in katholischer Selbstverständlichkeit auf, hier wurde er zum berühmten Universitätsprofessor. Nach 1968, dem Jahr der Studentenrevolte, das ihn tief erschütterte, hat er aber zunehmend diese Kirche kritisiert: Ihre Theologen setzten sich oft selbstherrlich über die kirchliche Lehre hinweg, sie selber sei reich, aber glaubensschwach. Und nicht in der Anpassung an die Moderne liege die Zukunft der Kirche, sondern darin, als Gegenüber dieser Moderne gegen die Relativierung von Glaubenswahrheit und göttlich gewollter Gesellschaftsordnung zu kämpfen.

An Joseph Ratzinger entzündete sich in Deutschland besonders heftig die Debatte, wie sehr die katholische Kirche sich der Zeit annähern oder dem Zeitgeist widerstehen sollte. Er war es, der in ungewöhnlicher Schärfe erklärte, die Kirchen der Reformation seien keine Kirchen im "eigentlichen Sinn". Auch auf seine Hartnäckigkeit hin musste die katholische Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerenberatung aussteigen. Die Begeisterung nach der Wahl zum Papst überdeckte die Unterschiede und Verletzungen eine Zeitlang, versteckte, dass Benedikt bei der Regensburger Rede 2006 weniger die Muslime beleidigte als vielmehr die Geschichte von den Kirchenvätern über die Reformation bis hin zu Immanuel Kant als Geschichte eines Abstiegs darstellte.

Jetzt ist das Pendel in die andere Richtung geschlagen, nach dem Ärger um die Annäherung an die Piusbrüder, nachdem so viele Fälle sexueller Gewalt bekannt geworden sind - vom Unkritischen im Jahr 2006 zum manchmal Überkritischen im Jahr 2011. Die meisten Nichtkatholiken begleiten diesen Besuch mit mehr oder weniger wohlwollendem Desinteresse. Die Katholiken hoffen auf ein Wort der Ermutigung. "Wenn er sich nur nicht verhaut", sagt einer, der an der Vorbereitung des Besuchs beteiligt ist. Wenn er nur nicht wieder etwas Missverständliches sagt, das die ganze Reise in Misskredit bringt, die gute Absicht Benedikts eingeschlossen. Und das ihn noch mehr zum unverstandenen Papst macht.

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