Verständnis für getrennte Eheleute:Seelsorger statt Kirchenlehrer

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Da doziert kein Kirchenlehrer von oben herab. Franziskus spricht als Seelsorger, (Foto: dpa)

Der Papst sagt, manchmal sei eine Trennung "moralisch notwendig". Die katholische Ehelehre hat Franziskus damit nicht über den Haufen geworfen. Und doch ist seine Ansprache ein wichtiges Signal - auch an die Bischöfe.

Von Matthias Drobinski

Manchmal müssen Ehepartner sich trennen, egal was sie einst einander versprochen haben. Es gibt Ehemänner, die Frau und Kinder prügeln und vergewaltigen. Es gibt Suchtkranke, die sich und ihren Partner zerstören, es gibt Paare, bei denen aus dem Traum in Weiß ein Albtraum geworden ist. Auf diese Banalität des Lebens hat Papst Franziskus hingewiesen, am Mittwoch in der Generalaudienz, wo er sagte, manchmal sei eine Trennung "moralisch notwendig, um den schwächeren Partner oder kleine Kinder" zu schützen.

Die katholische Ehelehre hat er nicht über den Haufen geworfen. Die "Trennung von Tisch und Bett" ist ihr zufolge durchaus möglich, nur heiraten dürfen die Getrennten dann nicht mehr. Und doch ist die Ansprache ein Signal für die Bischöfe, die im Oktober über Ehe und Familie beraten sollen.

Papst
:Franziskus zeigt Verständnis für getrennte Eheleute

Der Papst rüttelt erneut an den Grundsätzen der Kirche: In gewissen Fällen sei eine Trennung von Eheleuten unvermeidbar, sagt Franziskus.

Es ist wieder einmal der Ton das Neue, die Sprache des Papstes. Da doziert kein Kirchenlehrer von oben herab. Franziskus spricht als Seelsorger, wie ein erfahrener Pfarrer, der weiß, dass die Wege des Lebens und die Wegbeschreibungen der Kirche weit auseinanderliegen können, dass die Wirklichkeit nicht schwarz oder weiß ist. Der päpstliche Seelsorger weiß, dass man erst einmal bei den Menschen sein und genau hinschauen muss, bevor man urteilt und handelt.

Einige Möglichkeiten für die Synode im Oktober

In den kommenden Monaten dürfte noch ein Satz aus der Ansprache wichtig werden. Die Situation von Geschiedenen, die wieder heiraten, werde oft als "irregulär" bezeichnet, hat Franziskus gesagt - dieses Wort aber gefalle ihm nicht. "Irregulär" ist jedoch genau der Begriff, mit dem noch das Vorbereitungsdokument zur ersten Synode im Oktober 2014 alles bezeichnete, was nicht in die Norm der katholisch geschlossenen Ehe von Mann und Frau passt.

Dieser Abwertung erteilt nun der Papst eine Absage. Es geht dabei um mehr als um Sprachkritik. Die Unterscheidung zwischen "regulär" und "irregulär" entstammt einer streng naturrechtlichen Betrachtung von Ehe, Familie, Sexualität: "Natürlich" ist die lebenslange, für Kinder offene Ehe zwischen Mann und Frau, alles andere ist irgendwie wider die Natur. Diese Betrachtungsweise scheint der Papst nicht zu mögen.

Das eröffnet der Synode im Oktober einige Möglichkeiten. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn zum Beispiel hat vorgeschlagen, ein graduelles Verständnis vom Ehesakrament zu entwickeln: Vollkommen verwirklicht es sich in der katholisch geschlossenen Ehe, aber die Liebe Gottes kann sich auch in anderen gelingenden Partnerschaften spiegeln. So könnte die Kirche den Wert der Ehe betonen und doch andere Lebensformen aufwerten.

Franziskus will eine offene Debatte über Ehe und Familie

Die konservativen Bischöfe haben diese Idee auf der vorigen Synode heftig bekämpft. In dem am Dienstag veröffentlichten Vorbereitungsdokument für die nächste Versammlung ist sie aber erneut als diskussionswürdig aufgenommen. Ob Schönborns Vorschlag auch ins Abschlussdokument kommt, ist völlig offen, ebenso die Frage, wie die Kirche mit Geschiedenen umgehen will, die wieder geheiratet haben. Derzeit bündeln vor allem jene Gruppen ihre Kräfte, die möglichst keine Änderungen wünschen, in den USA, in Osteuropa, in Afrika - so sehr, dass den Reformern Angst und Bange wird.

Papst Franziskus jedoch hat in dieser Woche gezeigt, dass er die offene Debatte will: Das Vorbereitungsdokument für die Synode spiegelt die verschiedenen Positionen wider, ohne sich festzulegen. Und in seiner Ansprache zur Generalaudienz am Mittwoch hat er gesagt, was im Zentrum des Ringens stehen soll: kein abstraktes Gebot, sondern der Mensch. Über Jahrzehnte hat die katholische Kirche diese Debatte verdrängt, jetzt beginnt sie wieder. Sie steht jedoch noch ganz am Anfang.

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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