Pannen bei NSU-Ermittlungen:Opposition bezeichnet Henkel als Lügner

"Möglicherweise strafbar": Berlins Innensenator Henkel muss herbe Kritik aus der Opposition einstecken. Sie beschuldigt ihn, er habe Erkenntnisse über das Nazi-Trio NSU verschwiegen - und später auch noch gelogen.

Angesichts der Pannen bei der Aufklärungsarbeit zur rechtsextremen Terrorzelle NSU attackierte die Grünen-Bundestagsfraktion den Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) und bezichtigte ihn der Lüge. Sollte das Berliner Landeskriminalamt (LKA) "Informationen über das Neonazi-Trio für sich behalten haben, ist das möglicherweise ein strafbares Verhalten", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Volker Beck, Handelsblatt.de.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestags habe zweimal nach neuen Erkenntnissen in Berlin gefragt. In beiden Fällen sei die Antwort gewesen, es gebe keine Neuigkeiten. "Jetzt wissen wir, dass das eine Lüge war", sagte Beck. Für den Vorgang trage Henkel die politische Verantwortung. Unterstützung erhielt Beck von der Berliner Grünen Clara Herrmann und von Linken-Fraktionschef Udo Wolf. Auch die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, erhob schwere Vorwürfe: Henkel behindere die Aufklärung der NSU-Mordserie, sagte sie.

Bereits im Frühling hatte Henkel Erkenntnisse, die er nicht weiter leitete

Am vergangenen Donnerstag war bekanntgeworden, dass der NSU-Helfer Thomas S. bis Anfang 2011 rund zehn Jahre lang als V-Mann für das Berliner Landeskriminalamt gearbeitet hatte. Unter anderem soll er 2002 auch Hinweise auf den Verbleib der Terrorgruppe geliefert haben. Thomas S. wird aber auch beschuldigt, das Trio unterstützt zu haben. Mit der mutmaßlichen Terroristin Beate Zschäpe soll er ein Verhältnis gehabt haben.

Bereits im Januar 2012 war ein Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Helfer Thomas S. des Nazi-Trios eingeleitet worden. Das LKA informierte die Bundesanwaltschaft Medien zufolge allerdings erst im März darüber. Kurz zuvor erfuhr Henkel davon - der Untersuchungsausschuss blieb außen vor.

Als die Details über Thomas S. am vergangenen Donnerstag bekannt wurden, wurde Henkel von dem Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux nach dem V-Mann gefragt. Henkel habe geantwortet, er sei von den Vorgängen genauso überrascht und müsse dies prüfen.

Henkel räumt Fehler ein - und sucht eine Entschuldigung

Henkel räumte nach der heftigen Kritik an ihm gegenüber dem Untersuchungsausschuss des Bundestags am Dienstag Fehler ein. Er hätte im März nicht nur die Bundesanwaltschaft, sondern auch den Untersuchungsausschuss über Thomas S. informieren müssen.

Als Entschuldigung führte er an, er habe sich gebunden gefühlt: Er sei von der Bundesanwaltschaft gebeten, die Informationen vorerst nicht an Dritte weiterzugeben. Auch aus Gründen des Quellenschutzes sei es nicht verantwortbar gewesen, die Öffentlichkeit über die Verbindung des V-Mannes zu dem rechtsextremistischen Terrortrios zu informieren, so Henkel. Andernfalls seien möglicherweise das Leben des Informanten gefährdet und weitere Ermittlungen gegen mögliche Mittäter verhindert worden. Im Rückblick stelle sich die Frage, ob diese Einschätzung zwingend oder eine andere Lösung denkbar gewesen wäre, sagte der CDU-Politiker.

Der Untersuchungsausschuss habe inzwischen Kopien aller Akten zu Thomas S. erhalten, die Dokumente seien dem Gremium am Vormittag übergeben worden. Zugleich kündigte Henkel an, eine externe Vertrauensperson solle den Vorgang in Berlin untersuchen.

Abseits der Debatte um das Versagen der Behörden, findet das Gedenken an die Opfer des Terrortrios in Kassel statt: Anfang Oktober soll ein bislang namenloser Platz nach Halit Yozgat benannt werden. Der "Halitplatz" soll künftig an Yozgat, den Betreiber eines Internetcafés, erinnern. Er war im April 2006 von Mitgliedern der Terrorgruppe ermordert worden. An dem Platz stellt Kassel außerdem eine Gedenktafel auf, die an alle zehn Opfer erinnern soll. Auch andere Städte, in denen zwischen 2000 und 2007 Menschen von dem Nazi-Trio erschossen wurden, werden eine solche Tafel aufstellen.

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