Panama Papers:Panama Papers stürzen Cameron in schwere politische Krise

Britain's Prime Minister David Cameron leaves 10 Downing Street  as he names his new cabinet, in central London, Britain

Er händelt die Krise schlecht: David Cameron vor seinem Haus in der Downing Street

(Foto: REUTERS)

In diesem Fall geht es weder um illegale Aktivitäten noch um gewaltige Summen. An seiner Misere ist Großbritanniens Premier selbst schuld.

Analyse von Stefan Kornelius

Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können in der Politik Welten liegen - das wissen die Briten, deren Nation von Geschichte geradezu umstellt ist. Seit Donnerstagabend wissen die Briten nun aber auch, dass der historische Unterschied manchmal nur eine Frage der Grammatik ist. Und das Land fragt sich: Welches Vertrauen hat ein Premierminister verdient, der gerade eine Karriere startet als Wortdrechsler, Interpretations-Artist und Entfesselungskünstler?

Die Enthüllungen aus den Panama Papers haben den britischen Premier David Cameron in eine schwere politische Krise gestürzt. Cameron sind zwar weder illegale finanzielle Aktivitäten nachzuweisen noch wurden in seinem Fall gewaltige Summen bewegt. Den Premier bringt allerdings in Bedrängnis, dass er zögerlich, widersprüchlich und offensichtlich in Verschleierungsabsicht seine Rolle im Zusammenhang mit einer Offshore-Konstruktion seines Vaters dargestellt hat. Sein Verhalten steht auch im Widerspruch zu seiner mit großer Geste vorgetragenen Position zum Transparenzgebot in der Finanzwirtschaft.

Camerons Eiertanz dauerte drei Tage und gipfelte am Donnerstagabend in einem mit dem Privatsender ITV News orchestrierten Interview, in dem der Premier einräumte, dass er vom Offshore-Fonds seines Vaters profitiert hat. Bis zu seiner Wahl als Premier habe er Aktien des Fonds gehalten, die er allerdings 2010 zum Preis von gut 31 000 Pfund verkauft habe. Den Gewinn habe er ordnungsgemäß in Großbritannien versteuert. Übersetzung: Die ganze Wahrheit hat er bisher nicht gesagt.

Der Premier hat sich ohne Not ein gewaltiges Ei gelegt

Vorausgegangen waren nämlich vier Äußerungen von Cameron oder seiner Sprecher, die einen anderen Eindruck vermittelten: Cameron hat mit der Fonds-Konstruktion seines Vaters nichts zu tun. Drei Tage, vier Statements, und ein Regierungschef mit geröteten Wangen - der Premier hat sich da ohne Not ein gewaltiges Ei gelegt. Seine behutsame Annäherung an die Wahrheit verstößt gegen das oberste politische Krisengebot, das in Deutschland als Lex Guttenberg bekannt ist: Wenn man in Schwierigkeiten gerät, dann hilft nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

Die Chronologie der Verdruckstheit wird nun in Großbritannien genussvoll aufgelistet: Am Montag ließ Cameron seine Sprecherin Fragen nach dem Fonds mit einem simplen Satz abtun: "Das ist eine private Angelegenheit." Am Dienstag äußerte sich Cameron dann persönlich mit einem Satz, der an Eindeutigkeit scheinbar nicht zu überbieten war: "Ich habe keine Anteile, keine Briefkasten-Firmen, keine Offshore-Stiftungen, keine Offshore-Geldanlagen, nichts dergleichen. Und das ist, glaube ich, eine sehr klare Beschreibung."

Am selben Tag legte das Premierministeramt noch einmal nach und veröffentlichte eine schriftliche Stellungnahme zur Präzisierung: "Um eindeutig zu sein: Weder der Premierminister noch seine Frau und ihre Kinder profitieren von irgendwelchen Offshore-Anlagen. Der Premierminister besitzt keine Aktien."

Er profitiere momentan und in Zukunft nicht - aber was ist mit der Vergangenheit?

Am Mittwoch legte Camerons Presseabteilung ein viertes Mal nach, diesmal mit der Betonung auf mögliche Einnahmequellen in der Zukunft: "Es gibt keine Offshore-Anlagen/Stiftungen, von denen der Premierminister, Frau Cameron oder ihre Kinder in der Zukunft profitieren werden." Der Verweis auf die Zukunft ließ freilich die entscheidende Lücke in Camerons Argumentation erst sichtbar werden. Der Premier hatte immer von seinen Geldgeschäften in der Gegenwartsform, also im Präsens, gesprochen. Was aber geschah eigentlich in der Vergangenheit?

Darauf lieferte Cameron die Antwort erst im Fernsehinterview: "Wir haben 5000 Anteile am Blairmore Investment Trust gehalten, die wir im Januar 2010 verkauft haben." David Cameron sprach davon, dass er "einige schwierige Tage" hinter sich habe. Man sah es ihm an, was weder die Opposition noch seine innerparteilichen Feinde davon abhielt, jetzt erst recht zur Jagd zu blasen.

Der Offshore-Fonds Blairmore wurde 1982 mit Unterstützung von Camerons Vater Ian aufgebaut und durch die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama registriert. Er ist benannt nach dem Familiensitz der Camerons im schottischen Aberdeenshire. Im Fonds wurden mehrere zehn Millionen Pfund an Anlagevermögen verwaltet, unter anderem Vermögen aus einer Londoner Privatbank, die auch von den Rolling Stones genutzt wurde.

Ian Cameron starb im Jahr 2010. Er hinterließ seinem Sohn 300 000 Pfund. Cameron versichert hoch und heilig, er wisse nichts über die Herkunft des Erbes, und er habe die finanziellen Geschäfte seine Vaters nicht zu verantworten. Der Fonds hat nach Recherchen des Guardian in Großbritannien nie Steuern bezahlt.

Der Fonds sollte ein Steuersparmodell anbieten

Aus der Korrespondenz der Fonds-Führung geht hervor, dass Blairmore in der Absicht aufgebaut wurde, Anlegern ein Steuersparmodell anzubieten. Als der Fonds 2008 eine Verlagerung in eine andere Jurisdiktion erwog, stellte eine Londoner Anwaltskanzlei ein umfassendes Dossier mit Vor- und Nachteilen der Verschiebung etwa auf die Cayman-Inseln oder nach Bermuda zusammen. Tatsächlich wurde der Fonds dann im Jahr 2012 nach Irland transferiert, das Anlegern ebenfalls steuerliche Vorteil anbieten konnte, freilich innerhalb der Regulations-Richtlinien der EU.

Für Cameron ist all dies juristisch nicht verwerflich, wenn er - wie er behauptet - seine Gewinne aus dem Fonds und die Verkaufserlöse immer brav versteuert hat. Politisch ist aber erstens die qualvolle Geburt der Wahrheit ein Problem, auch weil Cameron wenige Wochen vor der für Großbritannien und Europa entscheidenden Abstimmung über den Verbleib des Landes in der EU geschwächt ist. Das proeuropäische Lager hat keine stärkere Figur als ihn.

Cameron sagte mal: "Einige dieser Konstruktionen sind ganz offen gesagt moralisch falsch"

Vor allem aber untergräbt das Eingeständnis die Glaubwürdigkeit Camerons, der in seiner Amtszeit immer als großer Steuerpatriot und Verfechter der Transparenz und Ehrlichkeit aufgetreten war. Der Premier muss jetzt mit der Unterstellung leben, er sei ein Heuchler, weil Herkunft und Lebensstil nicht im Einklang stehen mit seinem Habitus als konservativer Arbeiterführer.

Außerdem hat er sich geradezu verbissen in das Thema Steuervermeidung und Offshore-Anlagen. Als der Blairmore- Fonds nach Irland verlagert wurde, führte Cameron gerade eine Kampagne gegen Steuerumgehungs-Tricks. In diesem Jahr diskutierten die Briten hitzig über den Steuerfall Jimmy Carr. Der beliebte Komiker Carr nutzte ein Steuerschlupfloch auf Jersey, um etwa 3,3 Millionen Pfund pro Jahr vor dem Fiskus zu verstecken. Cameron äußerte sich damals empört und gab den Anwalt der hart arbeitenden, einfachen Leute. "Einige dieser Konstruktionen, die wir gesehen haben, sind ganz offen gesagt moralisch falsch."

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