Palästinensergebiete:Enttäuscht von Trump und Abbas

Im Westjordanland reagieren die Menschen mit einer Mischung aus Wut und Ratlosigkeit auf Trumps Ankündigung, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen. Kommt es zu einem Aufstand?

Von Alexandra Föderl-Schmid, Ramallah

Palestinian protesters run during clashes with Israeli troops at a protest against U.S. President Donald Trump's decision to recognize Jerusalem as the capital of Israel, near the Jewish settlement of Beit El, near the West Bank city of Ramallah

Nahe der Siedlung Beit El kommt es zu Ausschreitungen.

(Foto: Mohamad Torokman/Reuters)

Hunderte marschieren vom Stadtzentrum Ramallahs im Westjordanland die zwei Kilometer lange Straße Richtung El-Birah, auf den Checkpoint von Beit El zu. Schwer bewaffnete Soldaten kommen ihnen entgegen, drei gepanzerte Fahrzeuge begleiten sie. Bei einem Spielplatz kommt es zur ersten Konfrontation: Es fliegen Steine, Autoreifen werden angezündet, schon sind Schüsse zu hören. Es sind vor allem junge Palästinenser, die sich in dem hügeligen Gelände in Sichtweite der Wohnblocks verschanzen und mit Steinen auf die Soldaten zielen. Die antworten mit Hartgummigeschossen, sogar mit scharfer Munition, dann wird auch Tränengas eingesetzt. Es gibt die ersten Verletzten. Zwei Ambulanzwagen rasen mit Blaulicht heran und versuchen, sich durch die brennenden Barrikaden zu schlängeln.

Die Soldaten drängen auch die Journalisten, von denen hier am Tag nach Donald Trumps Bruch mit fast siebzig Jahren Nahost-Politik fast alle mit Helm und Schutzweste unterwegs sind, mit der Waffe im Anschlag zurück. Wer kann, sucht hinter einer Tankstelle Schutz, bis sich das brennende und stechende Gas verflüchtigt hat. Die Schwaden haben auch die Palästinenser weiter weg von der jüdischen Siedlung Beit El gedrängt.

Die Palästinenser errichten wieder Barrikaden aus Autoreifen und zünden diese an, sie wollen die israelischen Soldaten daran hindern, weiter in Richtung Stadtgebiet vorzudringen. Dort begeben sich immer mehr Menschen auf die Straße, um die Auseinandersetzung zu beobachten, versteckt hinter Autos, aus weiterer Ferne.

Palästinensergebiete: Palästinenser wollen Trump nicht einmal mehr in einem satirischen Graffiti sehen.

Palästinenser wollen Trump nicht einmal mehr in einem satirischen Graffiti sehen.

(Foto: Nasser Shiyoukhi/AP)

Rauchsäulen trüben den Blick auf Hinweisschilder am Straßenrand, von denen zwei auf Deutsch beschriftet sind: Das blaue verweist auf die Konrad-Adenauer-Stiftung, das weiße auf die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit und die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die deutschen Organisationen, die sich bei Projekten in den Palästinensergebieten engagieren, haben ihren Sitz in dem eher ruhigeren El-Birah, das an Ramallah grenzt.

Dort riefen Demonstranten zuvor am Mittag "Jerusalem ist unser!" über den Al-Manara-Platz. Sie sind hier wegen "al-Quds", ihrer Hauptstadt, die sie vehement einfordern. Es sind vor allem Männer, die an der Kundgebung teilnehmen. Viele von ihnen haben die palästinensische Flagge mitgebracht. Die Redner, die von der Ladefläche eines Anhängers aus mit einem Mikrofon auf die Menge einbrüllen, verwenden oft das Wort "Verrat": Von den anderen arabischen Staaten fühle man sich im Stich gelassen, von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht vertreten.

Eine schwache Rede - das ist hier der Tenor, wenn die Sprache auf Abbas kommt. Der hatte die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, zwar verurteilt. Er warf den USA vor, die Friedensbemühungen in Nahost vorsätzlich zu untergraben und betonte, die Anerkennung werde die Realitäten nicht ändern. Was er aber nicht tat: mit einem Aufstand der Palästinenser zu drohen. "Feigling", riefen deshalb einige aus der Menge. Aber die sichtbare Präsenz von Sicherheitskräften der palästinensischen Autonomiebehörde verhindert, dass sich der Zorn gegen Abbas noch stärker entlädt.

Palästinensergebiete: Hamas-Führer Hanija ruft zu einer neuen Intifada auf.

Hamas-Führer Hanija ruft zu einer neuen Intifada auf.

(Foto: Said Khatib/AFP)

Die Stimmung hier hatte kurz zuvor Hamas-Chef Ismail Hanija mit seinem Appell im 100 Kilometer entfernten Gazastreifen besser getroffen. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch den US-Präsidenten komme einer "Kriegserklärung" gegen die Palästinenser gleich, sagte Hanija und rief zu einer neuen Intifada auf. Am Ende der Kundgebung werden dann von vermummten jungen Palästinensern drei US-Fahnen verbrannt. Und zwar so, dass alle Kamerateams, die sich auf einem wasserlosen Brunnen aufgebaut haben, einen guten Blick auf die Szene haben.

Ob es aber tatsächlich zu einem Aufstand der Palästinenser kommt, darüber gehen die Meinungen am Platz auseinander. In kleinen Kreisen wird heftig darüber diskutiert. "Enttäuscht, betrogen, verraten" seien die Palästinenser worden, meint der Lehrer Ahmed Faqeah. "Seit Jahrzehnten werden wir reingelegt und für dumm verkauft." Aber dass es mit Trump so kommen würde, das habe er gleich gewusst: Schließlich seien drei von vier Beratern in seinem engsten Umfeld Juden. "Und das hat seine Entscheidung beeinflusst." Ein Mann, der die Unterhaltung mitbekommt, stößt Drohungen aus: "Wir werden sie alle vernichten. " Seinen Namen will er nicht nennen, er geht rasch weiter.

Was jetzt geschehe, könne niemand voraussagen, meint Mustafa Barghuthi, Generalsekretär der Nationalinitiative von Palästina. Nehme Trump seine Entscheidung nicht zurück, könne die Lage explodieren. "Dann stehen 2,6 Milliarden Muslime auf."

Jerusalem-Konflikt

In Jerusalem hängen schon Plakate, auf denen dem US-Präsidenten gedankt wird.

(Foto: Ariel Schalit/dpa)

Allerdings räumt auch er ein, dass die anderen arabischen Staaten zu wenig Druck gemacht hätten für die Sache der Palästinenser. Aber verärgert ist er über Abbas und seine zurückhaltende Stellungnahme. "25 Jahre Kampf hat er zunichtegemacht", schimpft der Mann, der sich ein Palästinensertuch um den Hals geschlungen hat. Dafür lobt er Angela Merkel, "die hat eine gute Stellungnahme abgegeben". Nur die Tschechen verstehe er nicht.

"Niemand kann eine Intifada befehlen. Das passiert oder das passiert nicht", meint Rettungsfahrer Ahmed Amireh, der am Checkpoint Kalandia wartet, ob er die Grenze passieren darf. "Alles hängt jetzt von den Menschen ab, was sie auf der Straße tun, nicht mehr von der Führung." In Kalandia, dem wichtigsten Checkpoint zwischen Jerusalem und Ramallah, brennen auch am späteren Nachmittag Autoreifen. Ein Dutzend Kinder hat sich hinter Barrikaden versteckt und beobachtet, wie sich israelische Soldaten auf der palästinensischen Seite durch die im Stau stehenden Autos schlängeln, die Waffen im Anschlag. Wenig später sind Schüsse zu hören.

An mehreren Orten im Westjordanland gab es am Donnerstag Auseinandersetzungen, mindestens 22 Verletzte wurden gemeldet. Am Abend erklärte Israels Militär, aus dem Gazastreifen seien zwei Raketen auf Israel abgefeuert worden. Sie hätten jedoch das Staatsgebiet nicht erreicht. Israels Luftwaffe feuerte später zurück. Was nach dem Freitagsgebet passiert, mag niemand vorhersagen. "Zum ersten Mal weiß ich nicht, was passieren wird", sagt ein Herr, der sich als Abdel Seid vorstellt. "Und dabei bin ich politischer Analyst."

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