Palästina:Schwere Vorwürfe gegen World Vision

Palästina: Israels Geheimdienst wirft Mohammad El Halabi vor, die Hamas zu unterstützen.

Israels Geheimdienst wirft Mohammad El Halabi vor, die Hamas zu unterstützen.

(Foto: Dudu Grunshpan/Reuters)

Israel wirft einem leitenden Mitarbeiter der Organisation vor, er habe Spendengelder in Millionenhöhe an die radikalislamische Organisation Hamas umgeleitet. Der bestreitet die Anschuldigungen.

Von Moritz Baumstieger

Als der Leiter ihrer Zweigstelle im Gazastreifen Mitte Juni am Grenzübergang Erez von israelischen Sicherheitskräften festgenommen wurde, rief die christliche Menschenrechtsorganisation World Vision zu Geduld und Gebeten auf. Was genau Mohammad El Halabi vorgeworfen wurde, wusste man nicht. Nun wurde gegen El Halabi am Bezirksgericht von Beer Scheva Anklage erhoben, die Anschuldigungen wiegen schwer: Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet will herausgefunden haben, dass El Halabi seit zwölf Jahren ein Mitglied der radikalislamischen Hamas ist.

Er habe, so der Vorwurf, die Menschenrechtsorganisation unterwandert, um Spendengelder zu veruntreuen. Bis zu 45 Millionen Dollar soll El Halabi der Hamas für militärische Zwecke zur Verfügung gestellt zu haben. Sein Anwalt sagte der israelischen Zeitung Haaretz, dass sein Mandant alle Vorwürfe bestreite.

World Vision zeigte sich "schockiert" und will nun alles tun, um den Sachverhalt aufzuklären. El Halabi sei eigentlich als zuverlässiger und gewissenhafter Kollege bekannt, außerdem verfüge man über "detaillierte Maßnahmen und Kontrollmechanismen" um zu gewährleisten, dass die der Organisation anvertrauten Mittel auf eine Art und Weise ausgegeben werden, die "keine Konflikte anheizt sondern im Gegenteil zum Frieden beiträgt".

Sollten sich die Vorwürfe gegen El Halabi jedoch erhärten, hätten diese Kontrollen radikal versagt: Seit El Halabi im Jahr 2010 die Leitung der Zweigstelle von World Vision in Gaza übernahm, soll er jedes Jahr 6,4 Millionen Euro für die Hamas abgezweigt haben - 60 Prozent des Jahresbudgets. Die Gelder, die unter anderem aus den USA und Europa stammten, seien in den Bau unterirdischer Tunnels investiert worden, mit denen die Hamas Waffen und andere Güter in den Gazastreifen und Kämpfer auf israelisches Territorium schmuggelt, teilweise auch direkt in militärische Ausrüstung. Laut einer Mitteilung des israelischen Außenministeriums beweise das den "zynischen Missbrauch, den Hamas mit internationalen Hilfsmitteln treibt."

Ein Schin-Bet-Offizier, der anonym mit der New York Times sprach, nannte Details: 2500 Essenspakete, die für bedürftige Familien bestimmt waren, sollen zu Verpflegung von Hamas-Bataillonen verwendet worden sein, Treibhäuser sollen mit Spendengeldern nicht zum Gemüseanbau errichtet worden sein, sondern um Tunnelgrabungen zu tarnen, Projekte, die eigentlich den Fischern von Gaza helfen sollten, versorgten die Hamas mit Motorboten und Tauchausrüstung.

Ein Sprecher der radikalislamischen Hamas nannte die Vorwürfe "Lügen". Mitarbeiter von World Vision kritisierten, der Organisation sei keine Möglichkeit gegeben worden, die Vorwürfe gegen El Halabi vor ihrer Veröffentlichung zu prüfen. Am Donnerstag soll es jedoch in Jerusalem ein Treffen zwischen Mitarbeitern von World Vision und Major General Yoav Mordechai gegeben haben, in dem der Koordinator der israelischen Armee für ziviler Angelegenheiten in den Palästinensergebieten die Ergebnisse der Untersuchung und ein Geständnis von El Halabi präsentierte.

Sein Anwalt Mohammed Mahmoud sagte jedoch, da Israel die Kontrolle über den Gazastreifen ausübe, könne die Regierung jeden, der im Gazastreifen lebt, irgendwie mit der Hamas in Verbindung bringen. El Halabi aber "gehört der Organisation nicht an und ist ihr auch nicht verbunden". Hamas-Mitglieder hätten ihn vielmehr einmal mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, Waren herauszugeben.

El Halabi wurde in einem Flüchtlingslager im Gazastreifen geboren, hat nach eigenen Angaben acht Familienangehörige im Gaza-Krieg 2014 durch einen israelischen Bombenangriff verloren. In einem Interview mit El Halabi, das World Vision im August 2014 veröffentlichte, sagte er: "Im Wissen, dass auch meine eigenen Kinder von Gewalt traumatisiert sind, entschied ich mich, mein ganzes Leben der Hilfsarbeit zu widmen und das Leben von Kindern zu verbessern." Als Reaktion auf die Anschuldigungen hat die australische Regierung, die World-Vision-Projekte für Kinder im Gazastreifen unterstützte, die Finanzierung von Projekten der Organisation in den Palästinensergebieten vorerst ausgesetzt.

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