Pakistan:Tod am Spielplatz

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Eine Splittergruppe der Taliban bekennt sich zu dem Anschlag in Lahore mit 72 Toten. Die Tat richtete sich auch gezielt gegen Christen, die Ostern feierten.

Ein Attentäter der Taliban hat am Ostersonntag in einem Park der pakistanischen Großstadt Lahore mindestens 72 Menschen mit in den Tod gerissen. Mehr als 350 Menschen wurden verletzt, als der Islamist bei einem Spielplatz seinen Sprengsatz zündete, wie die Behörden mitteilten. Unter den Todesopfern seien 35 Kinder, teilte die Polizeibehörde des Stadtbezirks mit. In dem Park hatten sich wegen des Osterfests viele Christen aufgehalten.

Die pakistanische Taliban-Gruppe Jamaat ul-Ahrar bekannte sich zu der Tat. Ein Sprecher sagte zu Journalisten, der Anschlag habe sich sowohl gegen Christen gerichtet als auch gegen die Regierung, die ihre Militäroffensiven gegen die Taliban in den vergangenen 15 Monaten verstärkt hatte. Jamaat ul-Ahrar plane weitere Anschläge, teilte der Sprecher mit, auch gegen Schulen und Universitäten.

Pakistanische Medien berichteten, der Attentäter von Sonntag sei als ein 28-jähriger Mann aus Süd-Punjab identifiziert worden. Er war demnach Lehrer an einer Religionsschule und wurde von Jamaat ul-Ahrar rekrutiert. Ein Sprecher der Streitkräfte, General Asim Bajwa, berichtete am Montag von Festnahmen unter "verdächtigen Terroristen und Helfern". Es gab Razzien und Festnahmen in mehreren Städten.

Der Attentäter sprengte sich im Gulshan-i-Iqbal-Park "in der Nähe des Spielplatzes in die Luft, wo Kinder schaukelten", sagte ein Behördenvertreter. Dort brachte er etwa 20 Kilogramm Sprengstoff zur Explosion. Der Park war an einem der ersten warmen Abende des Jahres besonders gut besucht. Viele christliche Familien waren dort, um Ostern zu feiern. Nach Polizeiangaben sollen 15 Christen unter den Opfern sein. Die Mehrzahl der Toten sei aber Muslime, sagte ein Polizeioffizier.

Auch ein 53-jähriger Mann, der mit seiner Familie zum Osterfeiertag in dem Park war, sagte: "Dies ist kein Angriff gegen Christen, alle sind Opfer, es sind viele Muslime unter den Opfern, alle gehen in den Park zum Entspannen." Bis zu sechs seiner Angehörigen seien verletzt.

Die christliche Minderheit macht in Pakistan nur 1,6 Prozent der 200 Millionen Einwohner aus. Vor einem Jahr wurden bei zwei Selbstmordanschlägen auf Kirchen in Lahore 17 Menschen getötet. Die Angriffe führten zu Ausschreitungen Tausender Christen, die den Behörden vorwarfen, nicht genug für ihren Schutz zu tun. Der jüngste Anschlag dürfte das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den Konfessionen weiter belasten.

Der Anschlag hat das Leben in der Sieben-Millionen-Stadt zum Erliegen gebrachr. Schulen blieben geschlossen, am Montagmorgen gab es kaum Verkehr. Ministerpräsident Nawaz Sharif besuchte am Morgen Opfer in Kliniken. Er verurteilte die Tat und erklärte, er empfinde "Schmerz und Kummer über den traurigen Verlust von unschuldigen Leben". Pakistan setzte eine dreitägige Trauerzeit an.

In Islamabad und Rawalpindi gab es Zusammenstöße wegen eines hingerichteten Islamisten

Indiens Regierungschef Narendra Modi rief seinen Kollegen Sharif an, um ihm sein Mitgefühl und seine Unterstützung auszusprechen. Die pakistanische Bewegung "Rwadari Tehreek" hatte für Montagabend in den sozialen Netzwerken zu einer Mahnwache im Gulshan-i-Iqbal-Park aufgerufen. Die Organisation, die für religiöse Toleranz eintritt, forderte dazu auf, gegen den Terror zu protestieren. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sprach von einem "entsetzlichen Akt des Terrorismus" und forderte die Regierung in Pakistan auf, die religiösen Minderheiten zu schützen.

In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad und der angrenzenden Garnisonsstadt Rawalpindi gab es derweil Zusammenstöße zwischen der Polizei und Zehntausenden Unterstützern des Islamisten Mumtaz Qadri. Dieser war Ende Februar wegen der Ermordung von Punjabs Gouverneur Salman Taseer hingerichtet worden.

Taseer hatte eine Änderung des strengen Blasphemie-Gesetzes gefordert. Das Gesetz, das für Gotteslästerung die Todesstrafe vorsieht, sorgt in Pakistan seit Jahren für Debatten. Qadri ist für viele radikale Islamisten durch den Mord an dem Gouverneur zum Helden geworden.

© SZ vom 29.03.2016 / AFP, DPA - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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