Pakistan:15-jähriger Pakistani hackt sich die Hand ab - aus Scham

  • In Pakistan hat sich ein 15-jähriger Junge die Hand abgehackt, nachdem ihn ein Imam der Gotteslästerung bezichtigte.
  • Der Junge beging die Selbstverstümmelung aus Scham, jetzt wird er in Teilen des Landes verehrt.
  • Der Imam wurde festgenommen.

Von Arne Perras, Singapur

Den 15-jährigen Anwar Ali kennen nun alle in Pakistan. Manche feiern den Jungen als Helden des Glaubens, weil er seine Hand gegeben habe für den heiligen Propheten Mohammed. Andere fragen sich, wie weit es eigentlich gekommen ist mit ihrem Land, wo sich ein Kind selbst die rechte Hand abhackt, weil es der Imam in der Moschee vor allen Leuten der Gotteslästerung bezichtigt.

Aus Medienberichten über Alis Schicksal ergibt sich folgendes Bild: Der Junge hatte vor einigen Tagen das Abendgebet in seinem Dorf Khankah besucht. Dort fragte der Imam die versammelte Menge: "Wer von euch glaubt nicht an die Lehren des heiligen Propheten? Hebt eure Hände!" Niemand hob die Hand - außer dem jungen Ali. Er hatte die Frage falsch verstanden und dachte, der Imam wolle wissen, wer an den Propheten glaubt. Dort stand er nun mit erhobener Hand, und alle starrten ihn an. Der Imam wurde wütend. Gotteslästerung sei das! Auch andere Gläubige gerieten in Rage. Voller Scham lief Ali davon.

"Die Hand, die Gotteslästerung begeht, soll doch abgehackt werden"

Blasphemie ist in Pakistan gesetzlich verboten und kann mit dem Tod bestraft werden. Immer wieder hat das Gesetz spontane Gewaltausbrüche befördert. Nicht selten sammelt sich ein wütender Mob, um die angeblich Schuldigen gleich selbst zu richten. Im Dorf Kasur verbrannten 2014 aufgebrachte Nachbarn ein junges christliches Paar. Auslöser waren falsche Vorwürfe, die beiden hätten den Koran geschändet. Auch Politiker sind vor dem Furor nicht sicher. Im Jahr 2011 tötete ein Bodyguard den Gouverneur von Punjab, weil dieser das Blasphemiegesetz kritisiert und sich für eine verfolgte Christin eingesetzt hatte. Viele verehrten den Attentäter wie einen Helden.

Nachdem Anwar Ali in der Moschee aus Versehen die Hand gehoben hatte, sah er nur noch einen Ausweg. Zu Hause hatten sie eine Maschine, mit der man Gras schneidet. Er hielt seine rechte Hand in die Messer und trennte sie ab. "Die Hand, die Gotteslästerung begeht, soll doch abgehackt werden", sagte er einige Tage später einer BBC-Reporterin, die ihn zu Hause besuchte.

Der Junge nahm an jenem Abend die abgetrennte Hand, legte sie auf ein Tablett und trug sie zurück in die Moschee. Alle sollten sehen, dass er den Propheten eben doch liebte. Niemand sagte ein Wort, dann brachten sie ihn in die Klinik, um den Stumpf zu verbinden. Als der Imam die Hand sah, flüchtete er. Inzwischen hat ihn die Polizei gefunden und festgenommen. Sie ermittelt gegen ihn, weil er die Menge aufgehetzt habe. Dadurch sei der Druck auf den Jungen so groß geworden, dass er sich zur Selbstverstümmelung entschlossen habe.

Der Vater des Jungen brach zusammen und sagte, er habe nicht einmal genug Geld, um den Krankenpfleger zu bezahlen. "Mein einziger Trost ist, dass er es für den Propheten tat." Die Familie erklärte, dass den Imam keine Schuld treffe, er habe nichts falsch gemacht.

Manche Pakistaner pilgern nun zu Ali, um dem 15-Jährigen ihren Respekt zu bekunden. Sie wollen den Jungen sehen und küssen, der in seiner Liebe zum Propheten solche Opfer bringt.

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