Pakistan:In den Strudeln des Punjab

Hochwasser, politische Morde und Taliban: Pakistan hat viele Krisen zu meistern. Für die leichtfertig agierende Regierung sind es zu viele - und auch der Westen droht mit seinem Konzept der indirekten Einflussnahme zu scheitern.

Stefan Kornelius

Symbole in der Politik wirken wie Abziehbilder. Wenn sie erst einmal kleben, dann kriegt man sie nicht mehr ab. Deswegen fährt eine Bundeskanzlerin jubelnd zum Fußball und der amerikanische Präsident mit sorgenvoller Miene an den ölverschmierten Strand. Pakistans Präsident befindet sich zurzeit auf Reisen in Europa, und die Botschaft des Landes in London ließ gerade eine Mitteilung verbreiten, wonach die Entourage des Politikers darauf verzichte, in Limousinen kutschiert und auf Galadiners genährt zu werden. Stattdessen werde man in Kleinbussen transportiert und kaufe Fertigmahlzeiten beim pakistanischen Händler an der Ecke. Dieses Bild soll kleben bleiben: Der Mann übt sich in Bescheidenheit angesichts der Katastrophe im eigenen Land. Er leidet mit.

A recent undated image shows flooding in the northwest Pakistan

Die Fluten in Pakistan sind reißerisch. Aber nur eine Krise unter vielen, mit denen die Regierung in Islamabad zur Zeit zu kämpfen hat.

(Foto: REUTERS)

Welch kümmerliche Reaktion, und welch Symbol für den tatsächlichen Zustand der pakistanischen Führung. Das Land versinkt in Wasserfluten, während der Präsident reist und die übrige politische Klasse darüber streitet, ob man über das Verhalten des Staatschefs geteilter Meinung sein darf. Unterdessen wird der Großteil der 4,5 Millionen Flutopfer von den politischen Querelen keine Kenntnis nehmen. Sehr wohl aber registrieren die Menschen, ob ihnen geholfen wird, und von wem die Hilfe kommt. Ihre Wahrnehmung ist simpel: Ihnen wird nicht geholfen, der Staat hat sie aufgegeben. Allein im Punjab, dem pakistanischen Fünfstromland, sollen 1,4 Millionen Menschen auf der Flucht sein.

Dem Staat steht auch politisch das Wasser bis zum Halse

In der Forschung über die Gesetzmäßigkeiten zerfallender Staaten gibt es eine Erkenntnis: Erst kollabiert die Politik, dann der Behördenapparat, schließlich das Militär. Dann ist der Staat am Ende. Pakistan ist noch weit davon entfernt, als Staat zu kollabieren. Aber die Regierung zeigt eine geradezu frivole Leichtfertigkeit im Umgang mit den mannigfachen Krisen, die das Land erfassen. Die Flut, die nun entlang des Indus Landflächen, Dörfer und Städte bedeckt, ist symptomatisch für eine Nation, der auch politisch das Wasser bis zum Halse steht.

Pakistan ist - neben Iran - die Nation auf der Erde, bei der Labilität im Inneren sofort auch jenseits der Landesgrenzen zu spüren ist. Das hängt mit der Größe der Nation und ihrer militärischen Bedeutung zusammen, die sich an den nuklearen Ambitionen ablesen lässt. Deswegen ist es erschreckend genug, wie sehr Pakistan unter der Wirtschaftskrise leidet, ohne dass Besserung in Sicht ist. Zur wirtschaftlichen Schwäche kommt die politische Instabilität, die durch Korruption und den Machthunger rivalisierender Eliten genährt wird. Pakistan wird zerfressen von religiösen Extremisten, von denen die Taliban den größten Machtanspruch entwickelt haben.

Die indirekte Einflussnahme hat nicht funktioniert

Während das Land also von der größten Flut seit Jahrzehnten heimgesucht wird, während der folgenreichste Flugzeugabsturz in der Geschichte mit 152 Toten Chaos und Willkür bei den Behörden entlarvt, während ein politischer Mord in der Hafenstadt Karatschi jede Nacht Unruhen und Tod nach sich zieht, während die Taliban den Chef der Grenzpolizei in die Luft sprengen - während all dies geschieht, reist der Präsident auf ein Normandie-Schlösschen und plant eine Wahlveranstaltung zugunsten seines Sohnes in der britischen Provinz.

Pakistans angeschlagener Staats-Organismus wird jetzt befallen von Viren, für die alle Abwehrkräfte nicht mehr ausreichen. Extremisten, Ideologen, religiöse Fanatiker werden die Schwäche nutzen. Die Menschen werden ihnen zujubeln und die alte Führung angreifen, die zum Machterhalt den Scheingegner Indien pflegt und ein Doppelspiel mit dem Westen spielt. Dieser Westen mag in Afghanistan interveniert haben in der Hoffnung, auf diesem Weg Pakistan und damit die Taliban und die Quellen des Terrors in den Griff zu bekommen. Die indirekte Einflussnahme hat nicht funktioniert. Nun ist es höchste Zeit, sich dem Kern des Problems zuzuwenden.

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