Pädophilie-Debatte bei den Grünen:Steinbrück nimmt Trittin in Schutz

Pressekonferenz Bündnis 90/Die Grünen

Grüne unter Druck: Jürgen Trittins Entschuldigung reicht der Union nicht.

(Foto: dpa)

In der Debatte um die Tolerierung von Pädophilen in den Anfängen der Grünen spielt auch Jürgen Trittin eine Rolle - er zeichnete für ein Dokument aus dem Jahre 1981 verantwortlich. Doch was folgt daraus? SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück attestiert dem grünen Spitzenkandidaten eine angemessene Reaktion. Unionsfrauen senden hingegen einen emotionalen Appell an Göring-Eckardt.

Inwieweit ist Jürgen Trittin in den Skandal um frühere Bestrebungen der Grünen verwickelt, Sex zwischen Kindern und Erwachsenen unter bestimmten Bedingungen straffrei stellen zu wollen? Wenige Tage vor der Bundestagswahl bringt der Bericht zweier Parteienforscher nicht nur den grünen Spitzenkandidaten selbst, sondern auch seine Partei in Bedrängnis. Vor allem aus der Union werden Forderungen nach Konsequenzen laut. Doch es gibt auch Rückendeckung für Trittin.

Trittin habe völlig angemessen zu den Vorwürfen Stellung genommen, sagte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Montagabend im Anschluss an eine Wahlkampfveranstaltung im niedersächsischen Emden.

Wie nur wenige Tage vor der Wahl am 22. September bekannt wurde, zeichnete Trittin 1981 für ein Kommunalwahlprogramm verantwortlich, in dem Straffreiheit für sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gefordert wurde, sofern diese gewaltfrei seien. Die Forderungen, die letztlich auf eine Legalisierung pädophiler Übergriffe zielten, werden in dem Programm nicht direkt genannt, sondern kommen nur unter Verweis über die entsprechenden Paragrafen des Strafgesetzbuches zur Sprache. Trittin räumte in Zusammenhang mit seiner Verantwortung für das Dokument einen Fehler ein, den er bedauerte.

Politikern aus CDU und CSU reicht das nicht. In einem gemeinsamen Brief, der der Leipziger Volkszeitung vorliegt, fordern mehrere Unionsfrauen die Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt auf, sich aktiv in die Aufklärung der "Pädophilie-Verstrickungen" Trittins einzuschalten. "Als Mutter zweier Söhne dürfen Sie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen nicht schweigen", heißt es in dem Schreiben.

Darin fordert die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, mit sechs Frauen aus dem Bundesvorstand der Jungen Union Göring-Eckardt auf, "einen übergreifenden Konsens für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Pädophilie" zu erarbeiten.

Kuhn verteidigt Grüne

Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte die Grünen auf, in der Partei einen Beauftragten für die Angelegenheiten von Missbrauchsopfern zu ernennen. "Die Grünen sind dabei, ihre moralischen Ansprüche, die sie jahrelang als Maßstab ihrer Politik geltend gemacht haben, zu verspielen", sagte Kauder der Welt.

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, forderte Trittin zum Rückzug von der Spitzenkandidatur auf. Ginge es um den politischen Gegner, wäre Trittin "einer der Ersten, die sich entrüstet und einen Rücktritt gefordert hätten", sagte Hasselfeldt der Rheinischen Post. Andere Unionspolitiker hatten sich zuvor ähnlich geäußert.

Der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn warf der politischen Konkurrenz in der Stuttgarter Zeitung vor, das Thema Pädophilie gegen seine Partei wahlkampfstrategisch zu instrumentalisieren.

Der Politologe Stefan Klecha, der die Studie zusammen mit Franz Walter erstellt hatte, unterstellte den Grünen hingegen ein unterentwickeltes Bewusstsein für die eigene Geschichte. Dass die Studie überhaupt in Auftrag gegeben wurde, sei zwar gut, sagte der Politologe der Passauer Neuen Presse. "Aber grundsätzlich gilt: Man erinnert sich so schlecht an das, was gewesen ist, besser gesagt: Man erinnert sich nicht gerne. Die Vorgänge sind jedoch noch nicht so lange her."

Der Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, bescheinigte den Grünen immerhin, mit der unabhängigen Aufarbeitung ihrer Gründungszeit die richtige Entscheidung getroffen zu haben. "Auch schmerzhafte Ergebnisse werden veröffentlicht, das ist genau der richtige Weg", sagte Rörig dem Berliner Tagesspiegel.

Rücktrittsforderungen an Trittin kommentierte er mit dem Hinweis, es müsse "in Ruhe und losgelöst vom Wahlkampf und von populistischen Forderungen entschieden werden, wie man auf die Opfer angemessen und sensibel zugeht". Wichtig sei, dass die Grünen die Aufarbeitung fortsetzten und Betroffenen die Möglichkeit gäben, sich an sie zu wenden und im Forschungsprojekt angehört zu werden.

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