OSZE:Schlechte Laune in Hamburg

Das Treffen der Außenminister ist ein Spektakel. Fortschritte aber gibt es kaum: Zu weit liegen die Positionen zu vielen Krisen auseinander.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Weltpolitik kann recht spontan sein, so erschien plötzlich der US-Außenminister auf dem Weihnachtsmarkt am Hamburger Jungfernstieg. John Kerry erstand bei einem tunesischen Händler sechs Gefäße aus Olivenholz und bezahlte mit Kreditkarte. Der Verkäufer dachte erst, es handle sich um einen deutschen Politiker mit Entourage, Kerry spricht seit seiner Kindheit ganz gut Deutsch. Für die Hansestadt war das ein erster Höhepunkt dieses Treffens des OSZE-Ministerrats, das am Donnerstag an Alster und Elbe begann und am Freitag endet.

Weltpolitik geht auch schnell auf die Nerven. Hamburg wurde für dieses Ereignis zum Hochsicherheitstrakt mit mehr als 10 000 Polizisten, mit Sperren, Staus, Demos, Sirenen und Hubschraubern, die über dem Zentrum kreisen. Das Spektakel dient nebenbei als Test für den G-20-Gipfel im Juli 2017, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls in Hamburgs Messehallen die wichtigsten Regierungschefs versammelt, darunter den künftigen US-Präsidenten Donald Trump. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte die Bewohner sogar mit einer Zeitungsannonce in Handschrift um Verständnis gebeten und auf die Bedeutung der Tagung verwiesen: "Der Frieden in Europa ist zum ersten Mal seit dem Mauerfall wieder gefährdet."

Die prekäre Lage begleitet ihn nicht erst, seit Deutschland im Januar für ein Jahr den Vorsitz der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) übernahm. Syrien, Irak, Jemen, Libyen, Ukraine - "der Krisenmodus scheint der aktuelle Aggregatzustand der Welt zu sein", sagte Steinmeier zu Beginn dieser Sitzung der 57 Mitgliedsländer. Da sei die OSZE ein "Leuchtturm, der uns Orientierung gibt". Allerdings steckt die OSZE, die einst dabei half, den Kalten Krieg zu überwinden, selbst im Nebel. 2016 kamen der Brexit und das Drama in der Türkei dazu.

Fast 50 Außenminister kamen, von der Prominenz fehlt nur der Brite Boris Johnson. Kerry aus Washington und sein Kollege Sergej Lawrow aus Moskau unterhielten sich am Mittwochabend im Hotel Atlantic, vor allem über Aleppo. Steinmeier führte laut Delegationskreisen ebenfalls ein "langes, ernstes Gespräch" mit Lawrow. "Deutlich" habe er die Russen aufgefordert, daran mitzuwirken, "die seit einigen Jahren wieder angewachsenen Spannungen in Europa nicht zu verschärfen". Man brauchte nur in die ernsten Gesichter der Runde zu sehen, um zu ahnen, wie schlecht die Stimmung ist. Längst wiederholen sich die Argumente. Lawrow und der Ukrainer Pawel Klimkin beschuldigten sich wie üblich, dass die Friedensvereinbarungen von Minsk missachtet werden. Steinmeier und Kerry nannten Russlands Vorstoß auf der Krim einen Verstoß gegen das Völkerrecht, Lawrow warf dem Westen "martialische Rhetorik" vor. "Der große Wurf" werde so schnell nicht gelingen, vermutet Steinmeier. "Aber wir können uns gegen die Verzagtheit auflehnen und beharrlich an realistischen Lösungsansätzen arbeiten." Immerhin, man spricht miteinander. John Kerry flog am Donnerstag allerdings schon vor dem Mittagessen im Ruderklub wieder weg.

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