Ostukraine:Poroschenko verkündet Rückzug aus Debalzewe

  • Petro Poroschenko bestätigt, dass die ukrainische Armee die Stadt Debalzewe aufgegeben hat. Ein Teil der Truppen zieht sich zurück.
  • Der russische Präsident Putin hatte die Ukraine indirekt zur Kapitulation aufgefordert.
  • US-Vizepräsident Biden hatte Russland gedroht, es werde einen "höheren Preis" bezahlen, sollte Moskau weiter die Vereinbarungen von Minsk missachten.
  • Die Stadt Debalzewe ist ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Die prorussischen Separatisten haben offenbar den größten Teil der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht.

Petro Poroschenko verkündet Truppenrückzug aus Debalzewe

Nach tagelangen erbitterten Kämpfen zieht sich die ukrainische Armee aus der strategisch bedeutsamen Stadt Debalzewe im Osten der Ukraine zurück. Präsident Petro Poroschenko bestätigte am Mittwochmittag den Rückzug, nachdem zuvor Augenzeugen und Behördenvertreter dies berichtet hatten. "Heute Morgen haben die ukrainischen Streitkräfte mit der Nationalgarde die geplante Operation zur Evakuierung unserer militärischen Einheiten aus Debalzewe abgeschlossen", sagte Poroschenko am Flughafen von Kiew, bevor er in den Osten des Landes aufbrechen wollte. Derzeit hätten vier Fünftel der Einheiten die Stadt verlassen. "Wir warten noch auf zwei Konvois", sagte Poroschenko. Damit ist der Kampf um Debalzewe verloren. Daran können auch die lobenden Worte Poroschenkos nichts ändern:

Einzelne ukrainische Einheiten zogen sich am bereits Morgen aus Debalzewe zurück. Der Befehl zum Abzug sei um sechs Uhr morgens erteilt worden, berichtete eine Reporterin des ukrainischen Senders Hromadske TV. Die Armee habe den Weg freikämpfen müssen, berichteten ukrainische Medien. Teilweise soll sie beim Abzug beschossen worden sein.

Russische Medien berichteten unterdessen, Dutzende ukrainische Soldaten hätten sich ergeben oder seien gefangen genommen worden. Das Fernsehen zeigte Bilder von Soldaten, die ohne Waffen ihre Stellungen verließen.

Das Ausmaß der Zerstörung in Debalzewe zeigen Aufnahmen einer Drohne des ukrainischen Militärs:

EU wirft Separatisten Bruch der Waffenruhe vor

Das Vorgehen "durch die von Russland unterstützten Separatisten" in der Stadt Debalzewe sei "eine klare Verletzung der Waffenruhe", sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Sie forderte, die Kiew-Gegner müssten "alle militärischen Aktivitäten stoppen". Sollten die Kämpfe anhalten, sei die EU zu einer "angemessenen" Reaktion bereit, erklärte Mogherini. "Russland und die Separatisten" müssten "sofort und vollständig die Verpflichtungen umsetzen", die sie vergangene Woche bei den Verhandlungen zur Ukraine-Krise in Minsk eingegangen seien, erklärte Mogherini. Sie verwies dabei auch auf die Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Dienstag, die von Russland mitgetragen wurde. Darin werden die Konfliktparteien aufgefordert, die "Kampfhandlungen sofort einzustellen".

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte den Vorstoß der Rebellen auf das Schärfste und warf ihnen vor, die Waffenruhe "massiv verletzt" zu haben. Es sei "eine schwere Belastung für das Abkommen wie für die Friedenshoffnungen für die Ostukraine insgesamt", sagte Seibert. Den Friedensplan wollte er aber noch nicht für gescheitert erklären. Weitere Sanktionen gegen Russland und die Rebellen schloss er nicht aus.

Auch US-Vizepräsident Joe Biden Russland gibt den Separatisten die Schuld am Bruch der Waffenruhe. Die Kämpfer agierten "im Einklang mit den russischen Kräften", hieß es in einer Erklärung Bidens, die durch das Weiße Haus verbreitet wurde. Demnach telefonierte Biden zuvor mit Poroschenko und sagte dabei, sollte Russland weiterhin die Minsker Vereinbarungen missachten, werde es das mit einem "höheren Preis" bezahlen.

Auch die Minsker Runde will noch einmal telefonieren. Der französische Regierungssprecher Stéphane Le Foll teilte am Mittwoch mit, der französische Präsident François Hollande, Poroschenko, Russlands Staatschef Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten sich zu Gesprächen am Abend verabredet. Das Abkommen von Minsk sei außerdem nach Ansicht der französischen Präsidentschaft "nicht tot". Frankreich werde "alles tun, um dieses Abkommen mit Leben zu erfüllen", sagte der Sprecher weiter.

Putin fordert die Ukraine zur Kapitulation in Debalzewe auf

Putin hat die ukrainischen Truppen indirekt zur Kapitulation in der im Osten des Landes umkämpften Stadt Debalzewe aufgerufen. "Die ukrainischen Offiziellen sollten ihre Soldaten nicht daran hindern, die Waffen niederzulegen", sagte Putin bei seinem Ungarn-Besuch. Dann würde die vergangene Woche vereinbarte Waffenruhe auch Bestand haben.

Putin betonte zugleich, zur Beilegung des Konflikts könne es "keine militärische Lösung" geben. Dem Westen warf der russische Präsident vor, der Ukraine bereits Waffen zu liefern. Moskau verfüge über entsprechende Informationen. Die Kämpfe bei Debalzewe seien von Anfang an absehbar gewesen, sagte Putin in Budapest. Insgesamt hätten die Kämpfe in der Ostukraine aber nachgelassen.

Die Lage in Debalzewe

Debalzewe ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in der Region. Durch sie verlaufen Straßen und Eisenbahnschienen, die die Separatistenhochburgen Luhansk und Donezk miteinander verbinden. Auch nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in der Nacht auf Sonntag tobten dort Kämpfe. (Lesen Sie hier, warum die Stadt eine so wichtige Bedeutung in dem Konflikt hat.) Ukrainische Truppen und prorussische Separatisten warfen sich gegenseitig Verstöße gegen die Waffenruhe vor.

Am Dienstag nahmen die Aufständischen Debalzewe nach erbitterten Gefechten weitgehend ein. "Nur ein paar Wohnviertel sind noch übrig, dann haben wir den Ort völlig unter Kontrolle", sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin zur Lage. Er sprach von "zahlreichen Gefangenen und vielen Toten". OSZE-Beobachter sind nicht vor Ort - ihnen verwehren die Separatisten den Zugang.

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