Osteuropa:Die Sorge bleibt

Die Truppenverstärkungen der Nato und der USA beruhigen die Osteuropäer wenig - als Abschreckung haben sie eher symbolische Wirkung.

Von Florian Hassel, Warschau

Es ist der ganz große Empfang, den Polens Regierung den Panzersoldaten der US-Armee bereitet. In Sagan, unweit der deutschen Grenze bei Cottbus, werden an diesem Samstag Polens Regierungschefin Beata Szydło und Verteidigungsminister Antoni Macierewicz feierlich die US-Soldaten begrüßen, die hier den Hauptstützpunkt der ersten je in Polen stationierten US-Panzereinheiten beziehen werden. Auch in 16 weiteren Städten Polens wird am Samstag mit Festkonzerten und winterlichen Picknicks das hohe Lied auf die Nato und die US-Armee gesungen. Mit der Ankunft der US-Panzer und anderer Einheiten sei es "mit dem russischen Veto auf dem Gebiet Zentraleuropas, in Polen, ein für alle Mal vorbei", sagte Macierewicz.

Dabei sind es gerade 3500 Soldaten mit 87 Abrams-Kampf- und 144 Bradley-Schützenpanzern, die in diesen Tagen von Bremerhaven über die polnische Grenze geschickt werden. Die meisten bleiben nicht, sondern werden weiterverlegt: in die drei baltischen Republiken Estland, Lettland und Litauen sowie nach Rumänien und Bulgarien. Doch Polen hat neben Absprachen mit der Nato weitere mit dem Pentagon getroffen - Minister Macieriewicz zufolge werden 7000 US-Soldaten an fünf Stellen in Polen stationiert.

Die Balten verfügen zusammen über 10 450 Soldaten, drei Panzer - und keinen Kampfjet

Rein militärisch ist die Entsendung der US-Soldaten und weiterer Soldaten aus Deutschland, England und Kanada nach Estland, Lettland und Litauen kaum von Belang. In jeder Baltenrepublik wird ein Bataillon von 800 bis 1200 Soldaten stationiert. "Natürlich macht ein Bataillon in jedem unserer Länder rein militärisch keinerlei Unterschied", sagte Litauens Außenminister Linas Linkevicius der SZ schon im November. Estland, Lettland und Litauen verfügen zusammen über 10 450 Soldaten, drei Panzer und kein einziges Kampfflugzeug. Seit Herbst 2016 hat das Pentagon in die drei Baltenrepubliken jeweils etwa ein Dutzend mit moderner Aufklärungstechnik ausgerüstete US-Spezialeinheiten geschickt - auch dies ist eher symbolisch: Russland hat allein im grenznahen westlichen Militärdistrikt 65 000 Soldaten, 750 Panzer und 320 Kampfflugzeuge stationiert, so Nato-Zahlen vom November 2016. Zudem kündigte Russlands Verteidigungsminister im Mai 2016 an, Russland werde an seiner westlichen Grenze drei weitere Divisionen von jeweils 10 000 Soldaten aufstellen.

Polen und Balten sorgen sich trotz der Stationierungen um das weitere Engagement Washingtons: Der künftige US-Präsident Donald Trump stellte im Wahlkampf den Sinn der Nato insgesamt und die Unterstützung der Nato-Länder infrage, die nicht genug für ihre Verteidigung ausgäben. Erst die Nominierung des Nato-Befürworters General James Mattis als Verteidigungsminister sorgte für etwas Erleichterung.

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