Ostasien:Staatskrise lähmt Südkorea

Wegen des Skandals um ihre korrupte Vertraute stimmt das Parlament über eine Amtsenthebung von Präsidentin Park ab.

Von Christoph Neidhart, Seoul

Choi-Gate, der Skandal um die korrupte Vertraute von Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye, der die Politik des Landes seit sechs Wochen lähmt, wird endgültig zur Staatskrise. An diesem Freitag wird das Parlament darüber abstimmen, ob Park ihres Amtes enthoben werden soll. Da sogar Saenuri, ihre eigene Partei, die Abstimmung freigegeben hat, muss die Präsidentin mit ihrer Entmachtung rechnen. Der Druck der Straße auf die etwa 40 schwankenden Saenuri-Abgeordneten ist enorm. Sie werden mit Anrufen bombardiert, seit ein Oppositionspolitiker ihre Kontaktdaten ins Internet gestellt hat. Für die nötige Zweidrittelmehrheit braucht die Opposition 28 ihrer Stimmen.

Park hat verstanden, dass sie kaum noch Chancen hat, das Amtsenthebungsverfahren abzuwenden. Dennoch denkt sie nicht daran, die Krise mit ihrem Rücktritt zu beenden. Sie sehe dem Amtsenthebungsverfahren "ruhig und gefasst" entgegen, ließ sie am Dienstag mitteilen. Sie spekuliert auf das Verfassungsgericht, das ihre Amtsenthebung bestätigen oder widerrufen kann.

Mit der Abstimmung am Freitag eskaliert die Krise. Wird die Amtsenthebung beschlossen, verliert die Präsidentin jegliche Befugnisse. Der Premier wird ihre Amtsgeschäfte übernehmen, allerdings erhält er nur beschränkte Kompetenzen, die beispielsweise für den Katastrophen- oder Kriegsfall nicht genau definiert sind. Sollte die Abstimmung wider Erwarten scheitern, werde das Volk "mit seinen Kerzen die Nationalversammlung niederbrennen", so der Oppositionspolitiker Park Jie-won. Sicher müsste sich Südkorea auf heftige Proteste einstellen.

Das Verfassungsgericht hat 180 Tage Zeit, über Parks Absetzung zu beraten. Allerdings geht der Gerichtspräsident Ende Januar in Pension, im März ein weiterer Richter. Das könnte das Urteil hinauszögern. Sollten die Richter Parks Entmachtung bestätigen, muss binnen 60 Tagen ein Nachfolger gewählt werden. Südkorea, ein Präsidialsystem, das enorme Macht auf den Präsidenten konzentriert, könnte mithin bis zum August ohne Staatsoberhaupt sein.

Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts zugunsten von Park würde das Volk, selbst im nächsten Jahr, wohl nicht akzeptieren. Es würde die Richter der Korruption bezichtigen und das ganze Land lahmlegen. Dabei ist es durchaus möglich, dass das Gericht befindet, juristisch liege zu wenig Konkretes gegen Park vor. Sie wird nie explizit Geld von Unternehmern verlangt oder sich bestechen lassen haben. Das taten ihre Helfer und ihre Freundin Choi Soon-sil, und die sitzen dafür in Untersuchungshaft. Wie sehr Park sich von Choi manipulieren ließ, weiß man nicht. Es gibt Behauptungen, wonach die Schamanin in alle wichtigen Geschäfte hineinregiert habe. Park sagt, sie habe sich bloß für einige Reden von ihr beraten lassen.

Teile der Opposition wollen Parks Versagen während der Sewol-Katastrophe zu einem weiteren Absetzungsgrund machen. Als die Fähre Sewol mit etwa 300 Mittelschülern an Bord unterging, war Park unauffindbar. Bis heute weiß man nicht, wo sie war. Beim Friseur, beim kosmetischen Chirurgen oder bei einem Liebhaber, so die Gerüchte. Politisch war das eine Todsünde, jedoch wohl kein Verstoß gegen Gesetze oder die Verfassung.

Gestritten wird derzeit darüber, ob die Verfassung es der Präsidentin erlaubt, nach Beginn eines Impeachments noch zurückzutreten. Oder ob sie mit der Einleitung des Verfahrens auch diese Kompetenz verliert.

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