Oskar Lafontaine:Die Heimkehr des kleinen Odysseus der Linken

Er will mit List und Kraft die politische Heimat zurückgewinnen: Warum Oskar Lafontaine sein Amt als Fraktionschef aufgibt.

Heribert Prantl

Der berühmteste Heimkehrer der Weltliteratur ist Odysseus, der Umgetriebene und bei allem Heimweh doch immer wieder bei Abenteuern, Frauen und auf Inseln Verweilende. Oskar Lafontaine, der nun zu den berühmtesten politischen Heimkehrern zählt, ist dem listenreichen Helden nicht ganz unähnlich. Nach allerlei Irrungen und Wirrungen kehrt er dahin zurück, wo er sein politisches Leben begonnen hat: Im saarländischen Landtag hat er sich einst als SPD-Politiker habilitiert, dort war er von 1985 bis 1998 Ministerpräsident, dort will er sich jetzt als Politiker der Linken rehabilitieren.

Lafontaine verzichtet auf das Amt des linken Fraktionschefs im Bundestag zu Berlin, um vom Saarland aus nur noch als Bundesvorsitzender der Linken deren politische Geschäfte weiter zu dirigieren. Anders als Odysseus, den nur sein alter Hund wiedererkannte, kommt Lafontaine nicht unerkannt zurück. Aber die Absicht ist wohl ähnlich: Er will mit List und Kraft zurückgewinnen, was er - aus eigener Schuld und durch die von ihm betriebene Spaltung der Sozialdemokratie - verloren hat: seine politische Heimat.

Zunächst einmal wird es aber so sein, dass er das rot-rot-grüne Projekt im Saarland eher erschwert als beflügelt. Das gilt kurzfristig; die Grünen im Lande fürchten Lafontaines auftrumpfende Art. Dass Lafontaine auch anders kann, hat er zu Beginn seiner Zeit als SPD-Chef bewiesen, als er erfolgreich eher nach innen als nach außen wirkte und aus der zerrütteten Post-Scharping-SPD wieder eine Regierungspartei machte.

Das rot-rote Projekt, also das Bündnis der Sozialisten und Sozialdemokraten im Bund, kann er als "Nur-noch-Bundesvorsitzender" der linken Partei besser befördern als dann, wenn er, wie bisher, als ständiger Stein des Anstoßes für die SPD im Bundestag bleibt. In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es nach wie vor die größten Verletzungen. Sie heilen besser, wenn Lafontaine nicht mehr in der ersten Reihe des Bundestages sitzt. Es ist wohl auch ganz gut für das rot-rote Klima dort, wenn nicht Sahra Wagenknecht als wirtschaftspolitische Sprecherin der Linken zusammen mit dem Oppositionsökonomen Lafontaine agiert.

Und schließlich schmerzt es die SPD-Seele weniger, wenn der SPD-Fraktionschef Steinmeier sich mit einem Fraktionschef Gysi messen muss, und nicht mit einem Fraktionschef Lafontaine. Es ist also so, wie es bei Goethe im dritten Kapitel von Wilhelm Meisters Lehrjahren steht: "Man verliert nicht immer, wenn man entbehrt." Und die große Bühne bleibt Lafontaine als Bundesvorsitzenden auch so erhalten.

Aber womöglich sind all diese politischen Erwägungen eine Überinterpretation der schlichten Sorge, die sich Lafontaine um seine Gesundheit macht. Er war 1990 Opfer eines lebensgefährlichen Attentats. Das hat ihn scheu und beklommen gemacht, scheuer, als es in der täglichen Politik den Anschein hat. Die Heimkehr Lafontaines ist auch ein vorsichtiger physischer Rückzug.

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