Orchester:Am Hofe Thielemanns

Endlich haben in Dresden die Staatsoper und die Sächsische Staatskapelle wieder einen Intendanten gefunden - also jemanden, der sich diesen schwierigen Posten tatsächlich antun will.

Von Harald Eggebrecht

Sechs Jahre Intendantenvakanz sind schon an einem kleinen Theater mehr als problematisch. Erst recht bei einem so traditionsreichen Haus wie es die Semperoper in Dresden ist. Nun hat man einen gefunden, den 1956 in Basel geborenen Peter Theiler, bislang Intendant der Staatstheater Nürnberg. Mit der Spielzeit 2018/2019 soll er sein Amt antreten.

Das klingt zunächst wenig aufregend. Doch es gibt einen interessant schillernden Hintergrund. Dieser ist vor allem Christian Thielemann geschuldet, dem Chefdirigenten des Semperopernorchesters, der Sächsischen Staatskapelle. Nachdem vor drei Jahren in Dresden die damalige Intendantin Ulrike Hessler plötzlich gestorben war, wurde zwar relativ schnell ein Nachfolger gefunden: Serge Dorny, Intendant der Oper in Lyon. Doch bereits im Februar 2014, ein halbes Jahr vor Dienstantritt, wurde ihm unter einigem Theaterdonner wieder gekündigt. Dorny, der nun weiter in Lyon tätig ist, hat dagegen geklagt; das Verfahren läuft immer noch. Er sieht sich als Opfer eines Kompetenzgerangels mit Christian Thielemann.

Daher kann man dem künftigen Chef in Dresden nur eine glückliche Hand und bestes diplomatisches Geschick wünschen. Denn Thielemann, für manche vielleicht der im Moment bedeutendste deutsche Dirigent, ist ein sehr selbst- und machtbewusster Mann. Er hat seine Chefpositionen stets so eingenommen, dass er so gut wie ungestört nach seinem Gefallen agieren konnte. Intendanten haben es daneben gewiss schwer, eigenständig Projekte und Ideen zu entwickeln. Daher war der Konflikt mit einem so innovativen Kopf wie Serge Dorny programmiert; der selbstzufrieden vor sich hindümpelnden Semperoper hätte der Mann aus Lyon gewiss gutgetan. Peter Theiler aber ist ein erfahrener, dabei ruhiger Theaterchef, der in Nürnberg jedoch mit internationalen Kooperationen, Kompositionsaufträgen und Regiestars wie Calixto Bieito die Klasse und den Anspruch der dortigen Staatsoper gehoben hat; übrigens in enger Abstimmung mit seinem Generalmusikdirektor. Bei Theiler scheint die Gefahr, mit Thielemann überkreuz zu kommen, wenigstens geringer zu sein. Doch vielleicht muss er sich ja, wenn er 2018 kommt, gar nicht mehr mit dem Stardirigenten herumschlagen.

Wer sich nämlich Thielemanns Laufbahn genauer anschaut, wird eine deutliche Spur von Verstimmungen und Krächen nicht übersehen können. Ob als Generalmusikdirektor in Nürnberg, als Chefdirigent an der Deutschen Oper Berlin oder bei den Münchner Philharmonikern - überall zeigte sich, dass dieser Kapellmeister die eigenen Vorstellungen nicht nur verfolgt, sondern ziemlich forsch durchsetzt. Kommt es, warum auch immer, zu Friktionen, angeblichen Intrigen oder vermeintlich unheilbaren atmosphärischen Störungen, kann Thielemann rasch die Lust verlieren. Gerade soll er mit seiner Robustheit in Bayreuth bewirkt haben, dass sich die Co-Intendantin Eva Wagner-Pasquier vom Festspielhaus fernhalten muss. Für viele war Thielemann auch der Favorit, als es um die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern ging. Doch an seinem Wesen schieden sich wohl die Philharmonikergeister.

Übrigens ist der Mann keiner, der Chefposten sammeln will und ohne das Dirigieren kaum leben kann. Er hat durchaus auch ein Faible für das Nichtstun. Insofern lässt sich sogar denken, er könnte sich in ferner Zukunft vielleicht auch nur mit seiner neuen Position als Musikdirektor der Bayreuther Festspiele und ausgewählten Gastauftritten zufriedengeben.

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