Online-Geschäfte:Die Ebay-Falle

Ein alter Trick: Man bietet einen Euro für einen Ebay-Artikel, hofft, dass der Verkäufer die Auktion abbricht und fordert Schadenersatz. Der BGH will den "Abbruchjägern" das Handwerk legen.

Von Wolfgang Janisch

Man denkt immer, im Internet sei alles neu, aber das stimmt nicht. Ebay zum Beispiel. Gewiss, Online-Versteigerungen gab es früher nicht. Doch um zu klären, wer am Ende wem was schuldet, hat der Bundesgerichtshof den alten (wenngleich nicht römischen) Rechtssatz pacta sunt servanda angewandt. Verträge sind einzuhalten. Der Verkäufer gibt ein bindendes Angebot ab, selbst wenn er auf Ebay ein ganzes Auto zum Startpreis von einem Euro anpreist. Bricht er die Auktion ab, ohne einen triftigen Grund vorweisen zu können, bekommt der letzte Bieter das Auto - auch wenn er nur einen Euro geboten hat. So hat es der BGH Ende 2014 entschieden.

Nun jedoch nimmt der BGH einen Typus ins Visier, der aus dem alten Rechtssatz und der neuen Plattform ein zwielichtiges Geschäftsmodell entwickelt hat. Der Abbruchjäger (ein missratener Vetter des Schnäppchenjägers) lauert unter diversen Identitäten auf Ebay, bis ein unerfahrener Verkäufer vorschnell die Auktion abbricht, etwa, weil die Gebote nur schleppend kommen und ihm deshalb der Niedrig-Startpreis nicht mehr geheuer ist. Im BGH-Fall war dies ein fast 5000 Euro teures Yamaha-Motorrad, das der Verkäufer kurz nach dem Start wieder zurückgezogen hatte. Doch da lag bereits ein Angebot für den absurd niedrigen Einstiegspreis von einem Euro vor - und nun will der verhinderte Käufer Schadenersatz.

Ein Urteil wird erst Ende August verkündet, aber in der Verhandlung am Mittwoch wurde deutlich: Dies könnte der erste Fall sein, in dem der BGH dem Bieter den Zuschlag verweigert, weil er sich "rechtsmissbräuchlich" verhalten hat. Es geht um einen Mann aus Sachsen-Anhalt, der in der Szene bekannt ist; in Internetforen tauschen Geschädigte sich darüber aus, wie man seinen Klagen entkommen kann. Auch dem BGH ist das in zahllosen Fällen erprobte Muster aufgefallen: Der Mann betreibt verschiedene Accounts und verbirgt sich hinter der Firma seines Vaters oder der Adresse einer Freundin. Wenn eine Auktion abgebrochen wurde, wartet er, bis die Ware verkauft ist - er will nur den lukrativen Schadenersatz. Wenn klar sei, dass jemand gar nicht am Erwerb der Ware interessiert sei, könnte das ein Rechtsmissbrauch sein, sagte Richterin Rhona Fetzer.

Besser ist es allerdings, solche Fallen von vornherein zu vermeiden, etwa, indem man einen angemessenen Mindestpreis festsetzt, der dann freilich höhere Kosten verursacht. Auch ist der rechtmäßige Abbruch einer Auktion gar nicht so kompliziert: Wer die angepriesene Ware irrtümlich falsch beschrieben hat, darf die Versteigerung stoppen. Im BGH-Fall war das Motorrad mit Drei-Gang-Getriebe und Elektrostarter angepriesen, richtig wäre Fünf-Gang und Kickstarter gewesen. Gut möglich, dass der BGH dem Abbruchjäger schon deshalb eine Abfuhr erteilt und den vorzeitigen Stopp der Versteigerung für rechtens erklärt.

Ohnehin dämpft der BGH die Hoffnungen. "Rechtsmissbrauch ist die absolute Ausnahme", sagte Richterin Fetzer. Also nur eine Notlösung für Ebay-Pechvögel. Übrigens entstammt die vom BGH angepeilte Lösung ebenfalls einem Rechtsgrundsatz, der zwar alt, aber internettauglich ist: Mit dem Prinzip von "Treu und Glauben" argumentierte bereits 1920 das Reichsgericht.

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