Online-Durchsuchung:Der große Hacker-Angriff

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Die Karlsruher Entscheidung gegen die Online-Durchsuchung steht in einer Serie von wichtigen Urteilen, die gegen ein gefährliches Vorurteil ankämpfen: dass man Grundrechte klein machen müsse, um Straftaten wirksam zu bekämpfen.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Im Monatstakt versuchen die obersten Gerichtshöfe in Karlsruhe, der Legislative und der Exekutive wieder den Wert von Grundrechten beizubringen. Bisher vergebens. Am Montag hat der Bundesgerichtshof die Online-Durchsuchung für gesetzlos erklärt.

Die Bedenkenlosigkeit, mit der sich staatliche Hacker - an der Unverletzlichkeit der Wohnung und am Fernmeldegeheimnis vorbei - in private Computer hacken wollten, demonstriert ein Ausmaß von Grundrechtsmissachtung, wie man es noch vor ein paar Jahren für unmöglich gehalten hätte. Seit dem 11. September 2001 gilt bei den Sicherheitsbehörden offenbar alles als erlaubt, was technisch machbar ist.

Der Fall, mit dem sich der Bundesgerichtshof zu befassen hatte, betraf die staatliche Verwanzung von Computern. Vor drei Jahren hatte das Bundesverfassungsgericht die Verwanzung von Wohnungen, also den großen Lauschangriff, für partiell verfassungswidrig erklärt.

Die Richter haben diesen Lauschangriff zu domestizieren versucht, ihn für die Fälle schwerster Kriminalität reduziert und Wanzen in all den Fällen strikt untersagt, in denen sie lediglich in der Hoffnung auf Erkenntnisse installiert werden. Doch was das Gericht verboten hat, macht Sicherheitsbehörden erst richtig scharf: Wenn die Wanze in der Wohnung nicht erlaubt ist, dann wird sie halt via Internet im Computer platziert.

Die Karlsruher Entscheidung gegen die Online-Durchsuchung steht in einer Serie von wichtigen Urteilen, die gegen ein gefährliches Vorurteil ankämpfen: dass man Grundrechte klein machen müsse, um Straftaten wirksam zu bekämpfen.

Unwort Datenschutz

Die Entscheidungen wollen zeigen: Man kann das Recht nicht schützen, indem man es latent verletzt. Das Verfassungsgericht wollte dem Gesetzgeber und den Sicherheitsbehörden sagen, dass es einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung gibt, den der Staat zu achten hat. Das Gericht hat aber offensichtlich tauben Ohren gepredigt.

Die Computer-Wanze dringt nämlich exakt in diesen Kernbereich ein: In Computer-Dateien finden sich Tagebücher und Liebesbriefe, die Dateien sind ein Schlüssel zur Intimität der Menschen. Wenn ein Bundesinnenminister glaubt, dass ein Zugriff ohne Weiteres möglich sein müsse, dann zeigt dies nur, wie weit die Veralltäglichung des Ungesetzlichen schon vorangeschritten ist.

Sicherlich: Man kann nun ein Gesetz machen, das die Online-Durchsuchung ausdrücklich zulässt und sie dann, hoffentlich rechtsstaatlich penibel, regelt. Zuvor aber sollte sich der Gesetzgeber klar machen, ob er wirklich jede Privatheit zur Disposition stellen will und darf.

Datenschutz ist seit längerem ein Unwort, wer davon spricht, muss sich entschuldigen und vorweg erklären, dass er nicht etwa ein Freund des Verbrechens sei. Die Gefahr einer Online-Durchsuchung lehrt nun wieder den Wert eines verhöhnten Rechts: Es schützt nicht irgendwelche kalten Daten, sondern die Persönlichkeit und Intimität der Bürger.

© SZ vom 06.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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