Olympische Winterspiele:Athleten statt Raketen

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Kim Jong-un überlegt, Untertanen zu Olympia reisen zu lassen. (Foto: dpa)

Ein gemeinsames Eishockeyteam? Musiker aus dem Norden? Die Fragen, die die beiden Koreas vor Olympia verhandeln, sind fast so kompliziert wie der Atomstreit.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Dreieinhalb Wochen vor der Anreise von 400 bis 500 nordkoreanischen Offiziellen zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang haben die beiden Koreas begonnen, die komplizierten Modalitäten für die Delegation auszuhandeln. Die beiden Länder unterhalten keine diplomatischen Beziehungen, außer der reaktivierten Militär-Hotline gibt es keine Telefonverbindung. Beide Seiten befürchten, die andere nütze den Anlass für ihre Zwecke aus. Am Montag trafen sich Arbeitsgruppen erstmals im Waffenstillstandsdorf Panmunjom. Auf Wunsch Pjöngjangs wurde dabei auch die Tour des Samjiyon-Orchesters geregelt. Es wird in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul auftreten und in Gangneung, dem Schauplatz der Eislauf- und Hockeywettbewerbe an der Küste.

Nordkorea hatte gefordert, die 140 Künstler des Orchesters sollten die innerkoreanische Grenze in Panmunjom zu Fuß überschreiten. Das ist sehr ungewöhnlich, der Norden sieht darin offenbar einen symbolischen Akt. Seit dem vorigen Jahrzehnt verbinden zwei Straßen die beiden ansonsten von der verminten, vier Kilometer breiten "demilitarisierten Zone" (DMZ) getrennten Staaten. Diese Straßenübergänge wurden bisher von offiziellen Delegationen benützt, sowie als Zugang zum gemeinsamen Industrie-Park in Kaesong - bis die Ex-Präsidentin Park Geun-hye die Sonderzone Anfang 2016 schloss. In Panmunjom werden seither nur Schiffbrüchige, die von der anderen Seite gerettet wurden, übergeben oder die sterblichen Überreste von Verunfallten. Außerdem sind hier schon Politiker neutraler Staaten über die Grenze gegangen, wie die frühere Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Diese wollte damit ein Zeichen setzen, das in Südkorea aber kaum wahrgenommen wurde.

Zunächst sprachen die Koreas über Musik: 140 Musiker sollen die Grenze zu Fuß überqueren

Das Treffen vom Montag fand im "Tongilgak", einem Gebäude auf der Nordseite von Panmunjom statt. Nicht-militärische Gespräche finden abwechselnd auf der südkoreanischen Seite und auf der des Nordens statt. Wenn die Militärs verhandeln, treffen sie sich in einer der blauen Baracken, die zur Hälfte im Norden und zur Hälfte im Süden stehen.

Die nächste Runde, diesmal auf Vizeminister-Ebene, wurde für Mittwoch vereinbart. Dann soll endlich über Athleten gesprochen werden. Südkorea hat dem Norden vorgeschlagen, eine gemeinsame Frauen-Eishockeymannschaft zu stellen. Damen-Eishockey ist im Süden eine absolute Randsportart. Weil das Land als Veranstalter automatisch qualifiziert ist, hat der südkoreanische Verband koreanisch-stämmige Nordamerikanerinnen geholt. Sie würden, wenn Pjöngjang den Vorschlag einer gemeinsamen Mannschaft annimmt, an der Seite von Nordkoreanerinnen spielen.

Allerdings können Nord- und Südkorea nicht alleine über die Teilnahme von Athleten aus dem Norden entscheiden. Die Anmeldefrist für Pyeongchang ist abgelaufen, bei der Frage nach einer gemeinsamen Mannschaft will das Internationale Olympische Komitee (IOC) mitreden. Beide Koreas werden deshalb kommenden Samstag in Lausanne mit dem IOC verhandeln.

Zudem hat Nordkoreas Parteizeitung Rodong Sinmun am Sonntag gedroht, Pjöngjang werde die Teilnahme der Athleten womöglich noch platzen lassen. "Übereilte Bemerkungen" des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in hätten "kaltes Wasser auf die eingeleitete Versöhnung geschüttet" und den Norden "sprachlos gemacht". Den südkoreanischen Behörden "gehe es nicht um die Interessen der Nation, sie sind eine Gruppe amerikanischer Verräter". Aber sie "sollten wissen: Die Züge und Busse, die unsere Delegation zu Olympia fahren, sind noch immer in Pjöngjang."

Grund der Empörung ist ein Satz aus Moons Neujahrspressekonferenz. Hier sagte Moon, die innerkoreanischen Gespräche seien dank US-Präsident Donald Trump zustande gekommen. Während Pjöngjang Verrat wittert, sieht man in Seoul darin eher den Versuch, sich Trumps Zustimmung zu Gesprächen mit dem Norden zu erschmeicheln.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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