Olympia:Koreanische Propaganda verdrängt den Sport

Die Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang werden - mit tatkräftiger Unterstützung der Organisatoren - auf eine bisher unbekannte Art politisiert. Die Wettkämpfe drohen zur Nebensache zu werden.

Kommentar von Christoph Neidhart

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat seine Ideale verraten. Die olympische Charta fordert, dass sich das IOC jedem Missbrauch des Sports durch Politik oder Kommerz widersetzt. Doch die Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang werden - mit tatkräftiger Unterstützung der Organisatoren - auf eine bisher unbekannte Art politisiert. Diesmal kungeln die Olympia-Oberen nicht mit einem Autokraten wie 2014 in Sotschi. Olympia soll vielmehr helfen, den Frieden auf der Koreanischen Halbinsel zu sichern. Das wirft die Frage auf: Darf das IOC seine eigene Charta ignorieren, wenn es damit hehre Ziele verfolgt?

Niemand sollte sich wundern, dass Nordkorea Pyeongchang 2018 propagandistisch auszuschlachten sucht und sich nicht an die Regeln hält. Der liberale südkoreanische Präsident Moon Jae-in dagegen versteht sich nach seiner korrupten Vorgängerin als moralisch integer und zum Frieden bereit. Er ist nicht "pro Pjöngjang", wie seine Kritiker ihm vorwerfen, aber "anti-anti Pjöngjang". Statt Nordkorea, das sich spät zur Teilnahme entschlossen hat, wie einen halbwegs normalen Gast zu behandeln, rollt Moon ihm den roten Teppich aus. Moon sieht die Spiele als einmalige Chance, das Eis zwischen den beiden Koreas zu brechen. Sollte das gelingen, dann wird man ihm verzeihen, dass er Olympia für die Politik instrumentalisiert hat.

Die nordkoreanische Propaganda bezeichnet die gemeinsamen Vorbereitungen der Spiele als Versuch, die innerkoreanischen Beziehungen zu reparieren. Zugleich wirft sie den USA jedoch vor, diese Versöhnung bösartig zu sabotieren, unter anderem mit der Stationierung eines Flugzeugträgers. Friede und Stabilität auf der Koreanischen Halbinsel seien aber nicht möglich, solange US-Truppen hier stationiert seien. Diktator Kim Jong-un möchte einen Keil zwischen Washington und Seoul treiben. Präsident Moon versucht dagegen einen Spagat, mit dem er es Pjöngjang und Washington recht machen kann.

Als wäre das nicht schwierig genug, bringt US-Vize Mike Pence den Vater des Studenten Otto Warmbier mit zur Eröffnungsfeier. Otto Warmbier war unter ominösen Umständen in nordkoreanischer Haft ins Koma gefallen und später verstorben. Pence kocht damit sein eigenes politisches Süppchen. Er wird, wie Japans Premier Shinzō Abe, Moon am Rande von Olympia drängen, nicht auf Nordkorea zuzugehen, solange es nicht auf seine Atomwaffen verzichtet. Das hat Nordkorea allerdings ausgeschlossen, es dürfte höchstens bereit sein, seine Tests einzufrieren. Die Chancen, dass Moons Politisierung der Spiele zum Erfolg führen, sind deshalb gering.

Die innerkoreanische Politik mischt sich sogar in die Nominierung von Athleten ein. Zur Eröffnung werden die verfeindeten Bruderstaaten gemeinsam unter der Vereinigungs-Flagge einmarschieren. Und Südkoreas Frauen-Eishockey-Team muss in kürzester Zeit Spielerinnen aus Nordkorea integrieren, weil Moons Sportminister die Bildung einer gesamtkoreanischen Mannschaft angeordnet hat. Damit verhöhnt er die Spielerinnen, die sich jahrelang auf das olympische Turnier vorbereitet haben, den Höhepunkt ihrer Sportkarrieren.

Moon plant rund um die Eröffnungsfeier ganze 14 Gipfeltreffen, auch eines mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Sport sei die schönste Nebensache der Welt, hieß es einst. In Pyeongchang droht er tatsächlich, zur Nebensache dieser Winterspiele zu werden.

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