Referendum:Olympia in Hamburg - ganz ohne Korruption und Größenwahn

Olympische Spiele 1972 - Eröffnung

Günter Zahn, Schlussläufer der Fackelstafette, grüßt 1972 in München die im Stadion aufmarschierten Sportlerinnen und Sportler, nachdem er das Olympische Feuer entzündet hat. Auch an diesen Moment soll das "Erzählcafé" erinnern.

(Foto: Olympische Spiele/dpa)
  • Hamburg stimmt am Sonntag ab über Olympia 2024.
  • Die Stadt verspricht ein kleines, aber feines Olympia, ganz ohne Korruption und Größenwahn.
  • Doch bei der Finanzierung ist noch einiges unklar.

Von Peter Burghardt

Nur für ein paar Stunden war Olympia auch für Olaf Scholz kein Thema, als diese Woche der Wahrheit begann. Am Montagvormittag hielt Hamburgs Bürgermeister beim Staatsakt für den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt in der Kirche St. Michaelis eine der Trauerreden und traf dabei angenehm den Ton. Doch selbst am Tag des Abschieds vom weltberühmten Hanseaten Schmidt hatte Scholz in einem Interview im örtlichen Abendblatt an das bevorstehende Referendum erinnert und versichert, "dass die Hamburger und Hamburgerinnen die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 wollen".

Am Dienstagmittag ging es so weiter, der SPD-Mann warb mit dem Genossen Torsten Albig aus Schleswig-Holstein für die Kandidatur. Seit München 1972 sei die Chance für Deutschland nie so groß gewesen, sprach Scholz am Sitz der Bewerber-Gesellschaft in der Hafencity mit Blick auf die Elbinsel Kleiner Grasbrook. Dort werden noch Container verladen, in neun Jahren soll dies die Olympic City mit Olympiastadion und Wohnungen sein. Am Dienstagabend setzte sich die PR-Tour dann im schicken Übersee-Club fort. Am Mittwochnachmittag machte Scholz sein Kreuz beim Ja und empfahl seinem Publikum auf Twitter bis zum 29. November die Nachahmung. "Es kommt wirklich auf jeden und jede an", sagte der oberste Wahlkämpfer anschließend in einer Aktuellen Stunde der Bürgerschaft, die sich ebenfalls um das Experiment mit den fünf Ringen drehte.

Spätestens am Sonntag sollen sich die Hamburger (und wegen der dort geplanten Segelregatten auch die Kieler) entscheiden, ob sich ihre Stadt tatsächlich um Olympia 2024 bewirbt. Mehr als 500 000 der 1,3 Millionen Wahlberechtigten hatten bereits zur Wochenmitte per Briefwahl abgestimmt - wenn am Ende mindestens 20 Prozent der Stimmen gültig sind und mehr als die Hälfte dieser Wähler dafür ist, dann tritt Hamburg beim Vergabekongress 2017 in Lima gegen Los Angeles, Paris, Rom und Budapest an. Als Favoriten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gelten Franzosen und Nordamerikaner, außerdem bemüht sich der DFB mit guten Aussichten um die Ausrichtung der Fußball-EM 2024. Zwei der größten Sportfeste in einem Jahr in einer Nation? Dennoch sind deutsche Olympiabefürworter schon lange nicht mehr so entschlossen gewesen wie die Riege von Olaf Scholz.

München ist Vorbild und Warnung zugleich

Hamburgs Olympia-Konzept

Bürgermeister Olaf Scholz erläutert Hamburgs Olympia-Konzept (Archivbild)

(Foto: dpa)

Vor 43 Jahren gab es letztmals Sommerspiele in Deutschland, in München. Es war ein Erfolg, trotz des fürchterlichen Attentats. Immer wieder erwähnen Scholz und seine Helfer München 1972, Barcelona 1992 und auch London 2012, weitere Vorbilder sind schwer zu finden. München ist allerdings gleichzeitig Warnung, denn eine Ausrichtung der Winterspiele 2022 lehnten Münchner und Garmischer 2013 ab. Berlin und Leipzig wiederum fielen mit ihren schwachen Anträgen in den vergangenen Jahren beim IOC durch, so ist Hamburg nun die bis auf Weiteres letzte Hoffnung deutscher Olympioniken. Dass sich ein bedeutender Sektor der städtischen Elite dafür dermaßen in die Riemen legt, das liegt vor allem an ihm, dem Politprofi und Hobbyruderer Scholz.

Risiken kalkuliert er normalerweise, immer mal wieder wird der Sozialdemokrat als möglicher Kanzlerkandidat genannt. Vier Jahre regiert er seine Heimatstadt, seit dem knappen Verlust seiner absoluten Mehrheit im Februar als Chef eines rot-grünen Senats. Ernsthafte politische Gegner hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende zu Hause kaum. Der grüne Koalitionspartner unterstützt Olympia, die CDU ebenfalls, wobei deren vormaliger Bürgermeister Ole von Beust bekannt gab, dass ihm dezentere Reklame lieber wäre. Die FDP sitzt in dieser Sache auch im Boot, die Handelskammer sowieso. Richtig dagegen sind von den Fraktionen nur die Linken. Ein Härtetest wird die Abstimmung trotzdem, Umfragen sagen den Befürwortern nur noch eine knappe Mehrheit voraus.

In der Rechnung fehlen noch sechs Milliarden Euro

Die Zweifel am größten Projekt der jüngeren Stadtgeschichte nahmen zu. Viele Hamburger sind keineswegs Feuer und Flamme. Kritiker wie die Vereinigung NOlympia fragen sich, ob die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen nicht wichtiger seien als olympische Ideen. Dazu kam der Korruptionsskandal um den DFB und die Fußball-WM 2006, das Image von Sportfunktionären, Großereignissen und den zugehörigen Verträgen war selten so schlecht. Und als Scholz sehr detailliert das Budget vorstellte, da blieben Fragen. 11,2 Milliarden Euro soll Olympia kosten und 3,8 Milliarden Euro einbringen - von den 7,4 Milliarden Euro dazwischen will Hamburg 1,2 Milliarden Euro beisteuern und den Rest vom Bund bezahlen lassen. Doch dem Bund gefällt diese Verteilung weniger gut, zumal die Republik einer durchaus wohlhabenden Kommune auf diese Weise einen neuen Stadtteil finanzieren würde, die Olympic City. Innenminister Thomas de Maizière sitzt zwar wie Finanzminister Wolfgang Schäuble in der Bewerbungs-GmbH, aber die Entscheidung über die Bezahlung fällt erst nach dem Referendum, was zahlreiche Hamburger stört.

Sowieso wird gewöhnlich alles viel teurer, mahnen Experten. Vor allem der Aufwand für die Sicherheit scheint angesichts der Terrorpanik zurückhaltend bemessen zu sein. Hamburgs Entwurf hat aber seine Reize, und die Antreiber verteidigen ihn seit Monaten in einem Öffentlichkeitsmarathon. Sie schwärmen von einem Olympia der kurzen Wege, wider den Gigantismus und im Sinne eines reformierten IOC. Man habe so gründlich gerechnet und uns informiert wie nie zuvor, verkündet der Bürgermeister. "Ich werde nicht den Haushalt ruinieren." Als Mahnmal dient ihm die Elbphilharmonie, die zehnmal so viel kostet wie anfänglich vorgesehen. Olympia sei die Gelegenheit für die Stadtentwicklung, um "als Metropole in der Weltliga mitzuspielen", sagt Scholz. Die Spiele würden "ein Generationenereignis".

Die Plakate mit dem Ja hängen recht penetrant an Bahnhöfen und Stadien. "Hamburg 2024, das gibt's nur einmal", versprechen sie. Die Lokalpresse hilft nach Kräften. Die Gegner haben nicht so viel Geld, aber manchmal Einfälle. "Sport für alle statt Profit für wenige", steht vor U-Bahnstationen auf dem Asphalt, bis Putzkolonnen oder der Regen die Farbe wegspülen.

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