Bundesfinanzminister:#WoistScholz

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Finanzminister Olaf Scholz: Seine Vorgänger Steinbrück und Schäuble ließen sich rascher im Haushaltsausschuss blicken. (Foto: dpa)
  • Finanzminister Olaf Scholz ist drei Monate im Amt, hat sich aber noch nie vor den Abgeordneten im Haushaltsausschuss erklärt.
  • Politiker der Opposition kritisieren ihn dafür heftig - und suchen ihn mit dem Twitter-Hashtag #WoistScholz.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Es gibt Abgeordnete des Bundestages, die schon mal kreativ werden, um ihre Rechte einzufordern. Beispielsweise die von der FDP. Vergangene Woche, als sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz erneut in der Sitzung des Haushaltsausschusses vermissten, schickten sie eine digitale Fahndung raus, nämlich Tweets im Stil von Western-Plakaten. Wahlweise erschien ein lässig über die Kulisse einer Metropole schwebender oder ein kurz vor der Mondlandung stehender Olaf Scholz. Unter dem Hashtag #WoistScholz war die Kritik zu lesen: In 80 Tagen um die Welt, aber niemals im Haushaltsausschuss. Also dort, wo er sein müsste, um die Parlamentarier zu informieren, die später über den Haushalt entscheiden sollen.

Olaf Scholz ist drei Monate im Amt und hat sich noch nicht bei den Abgeordneten blicken lassen. "Eine Frechheit" sei das, sagt Sven-Christian Kindler, Haushaltsexperte der Grünen. Dass sich der Minister im Ausschuss persönlich vorstelle, "das ist eine Frage des Respekts gegenüber dem Parlament". Man berate schon längst den ersten Haushalt von Scholz, aber einen Antrittsbesuch habe es nicht gegeben.

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Seit der Wiederwahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin hat der Ausschuss acht Mal getagt - ohne Olaf Scholz. Damit stellt der Sozialdemokrat einen neuen Abwesenheitsrekord auf. "Peer Steinbrück ist nach 22 Tagen in den Haushaltsausschuss gekommen, Wolfgang Schäuble nach 49 Tagen. Olaf Scholz ist bis heute nicht gekommen und er ist seit über 90 Tagen im Amt", sagt Kindler.

Als Vertretung schickt Scholz Staatssekretäre oder Mitarbeiter der Abteilungen. Vergangenen Mittwoch kam es deshalb zu heftigen Wortwechseln. Scholz war schriftlich gebeten worden, persönlich im Ausschuss zu erscheinen, um den Tagesordnungspunkt 5 abzuarbeiten, die "Unterrichtung durch die Bundesregierung zu den von ihr geplanten Maßnahmen zur unmittelbaren und dauerhaften Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion angesichts der jüngsten politischen Entwicklungen in Italien und der Turbulenzen auf den Finanzmärkten". Doch Scholz schickte seinen Unterabteilungsleiter Wilfried Steinheuer, einen Beamten, der keine politischen Leitlinien zu verkünden hatte. Den Eklat perfekt machte dann die parlamentarische Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn - mit vagen Aussagen zu den geplanten Reformen der Euro-Zone.

Wann, so wollten die Grünen wissen, sei der Minister darüber informiert worden, dass Angela Merkel in einem Zeitungsinterview ihre Pläne zu Europa erläutern würde? Hagedorn versuchte, mit dem allgemeinen Hinweis, dass man "regelmäßig telefoniere" abzuwiegeln, was die Abgeordneten noch mehr verärgerte. Sie verwiesen auf die Auskunftspflicht der Bundesregierung, wonach sie alle konzeptionellen Überlegungen für Europa auch dem Parlament zur Verfügung stellen müsse. Beim Minister kam die Botschaft offenbar nicht an. Eine Woche nach Merkel legte er seine Europa-Pläne in einem Magazin dar. Dass man über den Spiegel mehr erfahre als in der Sitzung des Haushaltsausschusses sei nicht hinnehmbar, sagt Kindler. "Wenn er bereits seit mehreren Wochen mit dem Kanzlerinnenamt über die Linie redet, dann hätte eine Unterrichtung und Weiterleitung der Unterlagen auch bereits vor mehreren Wochen erfolgen müssen." An diesem Mittwoch nun will Scholz seinen Antrittsbesuch bei den Abgeordneten machen.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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