Ohrengraus:Ägyptische Militärkapelle massakriert die Marseillaise bei Hollande-Besuch

Egyptian President Abdel Fattah al-Sisi and his French counterpart Francois Hollande review honour guard during a welcome ceremony at al-Quba Presidential Palace, in Cairo

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi und sein französischer Kollege François Hollande während der Begrüßungszeremonie am Al-Kubba-Palast in Kairo.

(Foto: REUTERS)

Von Tuten und Blasen keine Ahnung: Es ist nicht das erste Mal, dass die überforderten Musiker sich beim Staatsbesuch eines ausländischen Politikers blamieren.

Von Paul-Anton Krüger

Das Regime in Ägypten hat durchaus ein Faible für Inszenierung, für Protokoll und Pomp. Im Gedächtnis geblieben ist die Eröffnungsfeier für den neuen Suezkanal, genauer gesagt: den zweispurigen Ausbau auf 72 Kilometern. Präsident Abdel Fattah al-Sisi begab sich in seiner Paradeuniform an Bord der ehemals königlichen Yacht al-Mahrousa zur Tribüne mit den Ehrengästen, wo der General a. D. in den schwarzen Anzug des zivilen Staatsoberhaupts wechselte. Kampfjets zogen Kondensstreifen in Rot, Weiß und Schwarz in den Himmel, Ägyptens Nationalfarben. Es war, als würde ein Weltwunder eingeweiht, nicht eine Fahrrinne für Schiffe.

Bissiger Spott und viel Kritik schlugen dem Staatschef indes selbst aus ihm sonst ergebenen Medien entgegen, als er im Februar nahe Kairo eine neue Sozialbau-Siedlung eröffnete. Seine Kolonne schwarzer Limousinen rollte über einen eigens auf der Straße ausgelegten roten Teppich - vier Kilometer lang.

Das Militär sah sich angesichts des Furors zu einer öffentlichen Klarstellung genötigt. Der Teppich sei schon vor drei Jahren angeschafft worden, erklärte Brigadegeneral Ehab el-Ahwagy in mehreren Talkshows. Er solle die Umgebung verschönern, ein Gefühl der Freude vermitteln. Und er sei "eine Versicherung für die Bürger Ägyptens, dass unser Volk, unser Land und unsere Streitkräfte immer in der Lage sind, alles in angemessener Weise zu organisieren".

"Mir bluten die Ohren" twittert ein Journalist über die Darbietung

Daran dürfte mancher Ägypter nicht erst seit dem jüngsten Staatsbesuch zweifeln: Zwar war am Sonntag der Weg des französischen Präsidenten François Hollande vom Flughafen in die Stadt mit der Trikolore gesäumt, mit Fotos, die ihn und al-Sisi beim Händeschütteln zeigen, und im Al-Kubba-Palast erwartete ihn ein mit goldenen Ornamenten verzierter Baldachin. Doch was die Militärkapelle hinter dem Ehrenspalier dann intonierte, war kaum noch als Marseillaise zu erkennen.

"Mir bluten die Ohren", twitterte ein französischer Journalist, so schief klangen manche Passagen. Hollande ließ das "Hymnenmassaker", wie es in sozialen Netzwerken bald getauft wurde, äußerlich völlig regungslos über sich ergehen. Die politischen Gespräche wurden von den Dissonanzen offenkundig nicht getrübt, auch wenn Hollande offen Menschenrechtsverletzungen in Ägypten anprangerte. Paris und Kairo schlossen Verträge im Wert von 1,5 Milliarden Euro.

Es war nicht das erste Mal, dass die Musiker sich bei einem Staatsempfang blamierten: Im Februar 2015 war ihnen die russische Hymne ähnlich missraten, als Wladimir Putin Kairo besuchte. Die Präsidenten dinierten zum Ausgleich im Opernhaus zu den Klängen von Tschaikowskys "Schwanensee" und Verdis "Aida".

Verwunderlich ist der Fauxpas umso mehr, als westliche Militärmusik Tradition hat in Ägypten. Zwangsrekrutierte ägyptische Soldaten des osmanischen Gouverneurs Muhammad Ali Pascha wurden bereits im 19. Jahrhundert an europäischen Instrumenten unterrichtet. Musik aus dem Abendland hatten zuvor schon die Franzosen nach Kairo gebracht. Und so notierte der britische General C. Rochfort Scott 1834 über das Konzert einer Militärkapelle: "Wenn der französische Dirigent nüchtern ist, spielen sie 'Marlbrough' und die Marseillaise mit tolerabler Akkuratesse."

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