Offerte aus Pjöngjang:Kim Jong Un will Südkorea "nicht mehr auf die Nerven gehen"

Offerte aus Pjöngjang: Kim Jong Un zu Besuch in der nordkoreanischen Provinz: An Südkorea schickte das Regime jetzt einen offenen Brief.

Kim Jong Un zu Besuch in der nordkoreanischen Provinz: An Südkorea schickte das Regime jetzt einen offenen Brief.

(Foto: AFP)

Überraschend geht Nordkorea mit einem offenen Brief auf den Süden zu. Darin schlägt das Regime den Verzicht auf Beleidungen und gegenseitige militärische Provokationen vor. Ein Versöhnungsangebot mit Hintergedanken.

Von Christoph Neidhart

In einem offenen Brief hat Nordkorea den Süden am Freitag zum zweiten Mal binnen einer Woche zur Versöhnung aufgerufen. Darin forderte Pjöngjang Seoul auf, beide Koreas sollten künftig auf jegliche militärische Provokation verzichten. "Wir möchten die Familienzusammenführungen und den Tourismus zum heiligen Kumgang-Berg wieder aufnehmen", hieß es weiter. Der Vorstoß sei "ernst gemeint ohne versteckte Motive". Pjöngjang wolle künftig alles vermeiden, was "Südkorea auf die Nerven gehe oder es beleidige".

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits am Dienstag in Moskau gesagt, Nordkorea bereite seine Rückkehr zu den sogenannten Sechs-Parteien-Gesprächen vor, es werde dafür keine Vorbedingungen stellen. Die Sechs-Parteien-Gespräche in Peking, an denen neben den beiden Koreas Gastgeber China, die USA, Russland und Japan teilnahmen, wurden 2003 aufgenommen. Sie hatten das Ziel, Nordkorea den Verzicht auf Atomwaffen abzuhandeln. Obwohl die beteiligten Staaten wussten, dass dies kaum zu erreichen war, hielten sie an den Gesprächen fest, weil sie einen wertvollen Kommunikationskanal zum Norden bildeten. Die Gespräche sind seit mehr als sechs Jahren unterbrochen.

Seoul beantwortete den Brief mit der Forderung, der Norden solle seine Ernsthaftigkeit mit Handlungen belegen. Experten in Seoul begannen, nach den versteckten Motiven zu suchen, obwohl Pjöngjang sie explizit in Abrede stellt. Offenbar richtet sich der Brief gegen das jährliche Frühjahrsmanöver Foal Eagle, bei dem Soldaten aus Südkorea und den USA gemeinsam trainieren. Zwar steht in dem Schreiben, normale militärische Übungen seien legitim. Foal Eagle aber geht vom Szenario eines nordkoreanischen Angriffs aus, was Pjöngjang als Provokation betrachtet.

Mit diesem "ernsthaften Angebot" dürfte der Norden zudem versuchen, Südkorea innenpolitisch noch mehr zu spalten - und auch einen Keil zwischen Seoul und Peking treiben, deren Beziehungen so gut sind wie noch nie. Außerdem demonstriert Kim seinem Volk, dass er sich um eine Vereinigung mit dem Süden bemüht.

Paradoxerweise deutet die massiv verstärkte Repression im Norden darauf hin, dass es Kim Jong Un tatsächlich ernst meinen könnte: Je mehr Kontakte er zwischen Nord und Süd zulässt - selbst wenn diese streng überwacht werden - umso sicherer muss er sich in seiner Position fühlen, wenn er die Zukunft seines Regime nicht gefährden will. Dazu schafft er ein Klima der Angst. Schon im Herbst hat er die Patrouillen am Yalu, dem Grenzfluss zu China, verschärfen lassen, die Zahl der verhafteten Flüchtlinge ist seither gestiegen. Einige wurden von ihren Fluchthelfern verraten. Kim hat ferner Sonderkommandos mit Vollmachten in die Region geschickt. Überdies lässt er die chinesischen Mobilfunknetze entlang der Grenze stören, weil viele Nordkoreaner, gerade auch Schmuggler und Fluchthelfer auf beiden Seiten des Yalu, bisher mit chinesischen Handys frei kommunizieren konnten.

Sollte Seoul nicht auf Kims Charme-Offensive eingehen, hätte er sich bereits eine Erklärung für seine nächste Provokation verschafft.

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