Offensive in Mossul:"Jeder will helfen, das IS-Regime zu stürzen"

Offensive in Mossul: Irakische Spezialeinheiten nähern sich Mossul. Seit Montag läuft eine Offensive rund um die IS-Hochburg. Sollte die Stadt befreit werden, wäre der IS im Irak militärisch weitestgehend besiegt.

Irakische Spezialeinheiten nähern sich Mossul. Seit Montag läuft eine Offensive rund um die IS-Hochburg. Sollte die Stadt befreit werden, wäre der IS im Irak militärisch weitestgehend besiegt.

(Foto: AP)

Die Truppen zur Befreiung von Mossul rücken weiter vor. Mitten in der IS-Hochburg bloggt ein Historiker aus dem Untergrund. Er beschreibt eine unheimliche Stille, die über der Stadt liegt.

Protokoll: Alexander Triesch

Der Kampf um die letzte Bastion des "Islamischen Staats" (IS) im Irak dauert an. Am Montag hatten irakische Sicherheitskräfte, kurdische Peschmerga und lokale sunnitische Milizen eine seit Langem erwartete Offensive begonnen, mit der Mossul aus der Gewalt des IS befreit werden soll. 30 000 Kämpfer stehen geschätzten 4000 Extremisten gegenüber. Mehrere Ortschaften rund um die IS-Hochburg konnten bereits zurückerobert werden. Beobachter gehen jedoch von einer langen und blutigen Schlacht aus, sollten die Truppen Mossul erreichen.

Seit Juni 2014 bloggt "Mosul Eye" über die Zustände in der Stadt. Er ist nach eigenen Angaben Historiker und lebt in Mossul. Unter Nahost-Kennern gilt er als zuverlässige Quelle. Weitere Angaben zu seiner Identität oder seinem Aufenthaltsort wollte er der Süddeutschen Zeitung zu seiner eigenen Sicherheit nicht machen. Das Gespräch wurde über Facebook geführt. Es ist nicht bekannt, wie er mit der Außenwelt kommuniziert. Offiziell hat der IS die Telefon- und Internetleitungen abgeschaltet.

Die Situation hier in Mossul ist schrecklich. Aber noch ist alles ruhig, weil die Kämpfe die Stadt bisher nicht erreicht haben. Dort, wo gerade gekämpft wird, leben nur wenige Menschen. Uns in Mossul steht die Schlacht also erst noch bevor und wir wissen nicht, ob es irgendwelche Pläne gibt, die Bevölkerung zu schützen.

Die Streitkräfte des "Islamischen Staats" sind in Panik. Momentan zeigen sie auf den Straßen kaum Präsenz. Aus manchen Bezirken haben sie sich sogar komplett zurückgezogen. Die IS-Befehlshaber verlegen seit der Offensive in unregelmäßigen Abständen ihre Truppen, um sich auf die anstehenden Gefechte vorzubereiten. Auf diese Weise demonstrieren sie auch ihre Macht. Es soll so aussehen, als hätten sie die Stadt nach wie vor unter ihrer Kontrolle.

Es gibt nur noch wenig Vertrauen in die irakische Regierung

Als Ministerpräsident Haider al-Abadi den Start der Offensive vor einigen Tagen ankündigte, wurde das im Geheimen überall gefeiert. Die Bevölkerung bleibt den Straßen mittlerweile fern. Die Menschen wollen den Kontakt zum IS um jeden Preis vermeiden. Am meisten fürchten sie sich davor, dass aus ihrer Stadt ein Schlachtfeld wird und die Befreier am Ende nur ihre eigenen Interessen verfolgen werden. Jeder ist besorgt, aber die Menschen haben diesen Moment herbeigesehnt.

Die Stille in der Stadt beunruhigt viele. Die Angst ist ständig spürbar, aber die Menschen sind auch jeden Moment dazu bereit, sich der irakischen Armee und ihren Verbündeten anzuschließen. Jeder will helfen, das IS-Regime zu stürzen. Die Bevölkerung in Mossul will dafür alles tun, was nötig ist. Der IS darf nie wiederkommen, die Menschen wollen ihn ein für alle Mal loswerden.

Was allerdings passiert, wenn der IS besiegt ist, kann niemand sagen. Die Leute haben hier kein Vertrauen mehr in die irakische Regierung. Kaum jemand glaubt daran, dass man in Bagdad in der Lage sein wird, die Region um Mossul stabilisieren zu können oder dies überhaupt zu wollen. Der beste und sicherste Weg für uns wäre, Hilfe anzunehmen und die Stadt nach der Befreiung vorläufig unter internationaler Verwaltung wiederaufzubauen.

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