Offener Brief:Erfurter Oberbürgermeister will Flüchtlingskinder nicht einschulen

Erfurter OB Bausewein

Sorgt mit einem offenen Brief für Diskussionen: Der Thüringer SPD-Chef Andreas Bausewein. Er ist auch Oberbürgermeister der Stadt Erfurt.

(Foto: dpa)
  • Der Thüringer SPD-Chef Andreas Bausewein fordert in einem offenen Brief, die Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern aussetzen zu lassen.
  • Diese Regelung müsse zumindest bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern gelten.
  • Linke und Grüne kritisieren den Vorschlag: Jedes Kind habe das Recht auf Bildung.

Der Thüringer SPD-Chef und Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein fordert die Aussetzung der Schulpflicht für Kinder von Asylbewerbern. Das solle solange gelten, bis deren Aufenthaltsstatus geklärt sei, schreibt Bausewein in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke). Diese Regelung müsse zumindest bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsländern gelten.

Nach geltendem Recht werden alle schulpflichtigen Kinder zwischen sechs und 16 Jahren nach dreimonatigem Aufenthalt in Deutschland eingeschult. Bausewein argumentiert, in den speziell geschaffenen Sprachklassen herrsche ein ständiger Wechsel, wenn Kinder wieder ausreisten: "Die Zahl der schulpflichtigen Kinder ohne Aufenthaltsstatus ist sehr hoch. Die Kapazitäten der Schulen sind ausgereizt." Bei gleichbleibend hohen Flüchtlingszahlen müsse deswegen über den Bau zusätzlicher Schulen nachgedacht werden.

Mit seinen Forderungen an Bundes- und Landesregierung wolle er "ein weiteres Heidenau" verhindern, schreibt er als Begründung. Die Stimmung in der Bevölkerung drohe zu kippen. Warum er sein Anliegen in einem offenen Brief darlegt und nicht dem Linken-Ministerpräsidenten persönlich übermittelt, verrät Bausewein nicht.

Kritik aus den eigenen Reihen

Nach Veröffentlichung des Briefes am Dienstagabend äußerten Landtagsabgeordnete von Linken und Grünen via Twitter umgehend scharfe Kritik. Astrid Rothe-Beinlich von den Grünen schrieb, die UN-Kinderrechtskonvention kenne keine Grenzen. Auch Kinder von Flüchtlingen müssten und wollten lernen. Der Linke-Landtagsabgeordnete Christian Schaft erinnerte den SPD-Landeschef an das Wahlprogramm seiner Partei. Darin heißt es, dass die Thüringer SPD für ein Schulsystem einsteht, das jedem Kind die Chance auf bestmögliche Entwicklung eröffnet." Jedes Kind, gleich welcher Herkunft, ob mit Handicaps oder ohne, soll seine Fähigkeiten voll ausschöpfen können."

Auch der frühere Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie widerspricht dem Vorschlag seines Nachfolgers. "Es ist wichtig für die Integration, dass diese Kinder spätestens drei Monate nach ihrer Ankunft in die Schulen gehen", sagte der Ex-Bildungsminister der Thüringer Allgemeinen. "Was sollen sie denn sonst den ganzen Tag tun?"

Der Thüringer SPD-Fraktionschef Matthias Hey geht ebenfalls auf Distanz: "Ich verstehe zwar die Intention, doch eine Aussetzung des Schulpflicht betrachte ich mit hochgezogenen Augenbrauen." Da müssten andere Lösungen möglich sein.

"Wir sind am Limit"

Allerdings gibt es auch Unterstützung für Bausewein in seiner Partei. Die Arnstädter SPD-Landtagsabgeordnete Eleonore Mühlbauer sagte: "Wir sind bei uns im Ilmkreis am Limit." Es existierten weder ausreichend Lehrer noch Räumlichkeiten, um alle Flüchtlingskinder zu unterrichten.

Die Thüringer CDU begrüßt den Vorstoß. "Ich kann der SPD nur sagen: willkommen in der Realität", sagte Landes- und Fraktionschef Mike Mohring der Thüringer Allgemeinen. Der Erfurter Oberbürgermeister habe in den letzten Monaten "eine steile Lernkurve" gezeigt und vertrete nun Forderungen der Union. Mohring glaubt allerdings nicht, dass sich Bausewein innerhalb von Rot-Rot-Grün durchsetzen wird.

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