Österreich:Wenn die "Reichsmutter" ruft

Kaum ist Barbara Rosenkranz offiziell Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, sendet sie eindeutige Signale ins extreme rechte Eck. Die FPÖ-Politikerin will ein NS-Verbot kippen.

Michael Frank, Wien

Die Kandidatin hat sich beeilt, die Vorbehalte gegen sie rasch zu bestätigen. Kaum ist Barbara Rosenkranz, nach Parteibekunden "Ikone" der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), zur Bundespräsidentschaftskandidatin nominiert worden, schickt sie eindeutige Signale ins extreme rechte Eck: Das "Verbotsgesetz" gegen die "Wiederbetätigung im Sinne des Nationalsozialismus" widerspricht nach Ansicht von Rosenkranz der Meinungsfreiheit, sei somit verfassungswidrig und aufzuheben.

Das hat jedoch der österreichische Verfassungsgerichtshof schon vor 25 Jahren ganz anders gesehen. Ein Wiener Rechtsanwalt, der in der NS-Zeit viele Familienmitglieder verloren hat, erstattet nun Anzeige gegen Rosenkranz - wegen "Wiederbetätigung". Wer der Verharmlosung das Wort rede und NS-Verherrlichung als "Meinungsfreiheit" propagiere, sei zumindest einer strafbaren "Vorbereitungshandlung" schuldig.

Der Rekurs auf die Meinungsfreiheit in NS-Sachen gilt in Österreich als eindeutiges Szenesignal an Rechtsextremisten. Wiens Israelitische Kultusgemeinde nannte Rosenkranz' Nominierung eine Beleidigung der Opfer der Judenvernichtung. Der Zentralrat der Juden in Deutschland beklagt, sie sei "kein Betriebsunfall", sondern ein weiteres Beispiel für den "erschreckenden Rechtsruck" in Europa.

Österreich habe da eine "bedauerliche Führungsrolle", denn schon Jörg Haider sei "eine Integrationsfigur für die Rechten über die österreichischen Grenzen hinaus gewesen", sagte der Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer.

Ob es Gaskammern im Dritten Reich gegeben habe, will Rosenkranz nicht beantworten. "Mein Geschichtsbild ist das eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in die Schule gegangen ist", sagt sie. Sie habe nicht die Absicht, daran etwas zu ändern.

Damals war in Schulen von Nazi-Gräueln so gut wie nichts zu hören, von Österreichs Mitverantwortung schon gar nicht. Neuere Erkenntnisse haben für Rosenkranz keine Bedeutung. Ihr Mann Horst Jakob war in diversen inzwischen verbotenen Rechtsaußen-Organisationen tätig und gibt eine extremistische Zeitschrift heraus. Das zu kommentieren, findet Rosenkranz unangemessen.

Inzwischen scheint der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zu dämmern, dass ihr Entschluss, zum amtierenden Staatsoberhaupt Heinz Fischer keinen Gegenkandidaten aufzustellen, aber auch keine Empfehlung für ihn auszusprechen, der FPÖ und Rosenkranz den Weg bereitet.

Gewichtige Persönlichkeiten wie der Wirtschaftsbund-Präsident Christoph Leitl oder der frühere Parlamentspräsident Andreas Khol warnen vor einer Wahl von Rosenkranz, die von anderen ÖVP-Funktionären zur Alternative zum "zu sozialdemokratischen" Amtsinhaber Fischer ausgegeben wird.

"Wählen wir sie!"

Auch der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hat ungewöhnlich offen seine Abneigung kundgetan. Im Internet rauscht es nur so von Stellungnahmen der Schriftsteller und Künstler gegen die "Reichsmutter", wie sie oft genannt wird.

Hans Dichand, der Herausgeber der Neuen Kronen Zeitung, der sich überdeutlich hinter dem Pseudonym "Cato" verbirgt und sein Blatt für die Verkörperung des gesunden Volksempfindens hält, hat jedoch die Parole ausgegeben: Diese "mutige Mutter" - Rosenkranz hat zehn Kinder - werde eine gute Bundespräsidentin sein. "Wählen wir sie!" fordert er.

Der Innenpolitik-Chef des mächtigen Boulevardblattes, Claus Pándi, erklärte im Österreichischen Fernsehen, natürlich sei die Meinung des Herausgebers Blattlinie. Pikant daran: Pándis Ehefrau ist Sprecherin des sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann, der zumindest bei populistischen Aktionen bislang stets die Sympathie der "Krone" genoss. Faymanns SPÖ aber macht naturgemäß Front gegen Rosenkranz.

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