Österreich:Was der Bundespräsident darf - und was nicht

van der Bellen und Fischer

Der frühere Bundespräsident Heinz Fischer und sein am 4. Dezember 2016 gewählter Nachfolger Alexander von der Bellen

(Foto: dpa)

Der Wiener Staatsrechtler Manfried Welan über besondere Befugnisse des österreichischen Staatsoberhauptes - und welchen Zusammenhang seine Macht mit dem deutschen Nachbarland hat.

Interview von Oliver Das Gupta, Wien

Professor Manfried Welan, Jahrgang 1937, ist einer der profiliertesten Staatsrechtler Österreichs. Der Politikwissenschaftler, der für die konservative ÖVP im Wiener Stadtparlament saß, gilt als der beste Kenner der Rechte und Pflichten des österreichischen Staatsoberhauptes. Er verfasste das zentrale Werk zum Thema: "Der Bundespräsident. Kein Kaiser in der Republik".

SZ: Im Wahlkampf haben die Kandidaten Nobert Hofer und Alexander Van der Bellen suggeriert, sie könnten als Präsident in der Tagespolitik mitmischen.

Manfried Welan: So einfach ist das nicht. Der Bundespräsident wird in den allermeisten Belangen nur auf Initiative der Regierung tätig.

Was kann das Staatsoberhaupt alleine entscheiden?

Nur wenig, aber der Präsident hat ein wichtiges Recht. Er allein kann den Bundeskanzler und die Regierung entlassen und den Kanzler ernennen.

Die Exekutive ist also doppelt abhängig: vom Vertrauen des Parlaments und vom Wohlwollen des Präsidenten.

Ja, sie ist die Dienerin zweier Herren. Das schwächt sie natürlich.

Der Bundespräsident kann eine Zeit lang Notverordnungen erlassen, etwa dann, wenn er das Parlament aufgelöst hat.

Voraussetzung ist aber ein Vorschlag der Regierung. Außerdem müsste der ständige Unterausschuss des parlamentarischen Hauptausschusses sein Plazet geben. Das Entlassungs- und das Notverordnungsrecht sind für mich bis jetzt Verfassungsmythologie, weil sie bisher nie gebraucht wurden. Letzteres wird es meines Erachtens auch bleiben, denn es gibt dafür viele komplizierte Voraussetzungen. Und es darf bei Notverordnungen nur um Maßnahmen zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit gehen und nur zu einer Zeit, in der der Nationalrat, vereinfacht gesagt, nicht arbeitsfähig ist. Außerdem ist der Nationalrat rasch einzuberufen, der dann ein Bundesgesetz anstelle der Verordnung beschließen kann oder von der Bundesregierung verlangt, dass die Verordnung sofort außer Kraft gesetzt wird.

Dennoch: Welche Rechte könnten durch Notverordnungen eingeschränkt werden?

Ich würde die Frage eher umdrehen: Was kann der Bundespräsident alles nicht regeln? Alle Maßnahmen zum Beispiel, die eine finanzielle Belastung von Bund, Ländern, Gemeinden oder Bürgern bedeuten würden. Die Veräußerung von Bundesvermögen, das Arbeits- und Sozialrecht, das Koalitionsrecht, der Mieterschutz - alles ausgenommen.

Die Amtszeit des österreichischen Bundespräsidenten dauert sechs Jahre. Kann er seines Amtes enthoben werden?

Ja. Dafür gibt es zwei Regelungen, die allerdings beide unpraktikabel sind. Bei der ersten Variante wäre je eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Parlamentskammern Nationalrat und Bundesrat nötig. Dann könnte der Bundespräsident wegen Verfassungswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof angeklagt werden. Der zweite Weg wäre eine Volkabstimmung, die vom Nationalrat initiiert werden müsste. Auch hier wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Würde diese Mehrheit nicht zustande kommen, wäre automatisch das Parlament aufgelöst. Eine innenpolitische Instabilität wäre die Folge.

Wie kam der österreichische Präsident zu solch großen Befugnissen?

Die rechtliche Konstruktion geht auf das Jahr 1929 zurück. Damals hat man sich an der deutschen Reichsverfassung von Weimar orientiert.

Der deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg hat mit Notverordnungen regiert, Regierungen und Kanzler nach Gusto entlassen und ernannt. Zuletzt machte Hindenburg einen kurz vorher eingebürgerten Österreicher zum Reichskanzler: Adolf Hitler.

Was wir in Österreich heute haben ist Weimar auf Wienerisch. Durch die permanente große Koalition ist das nicht so ins Bewusstsein gedrungen. Bislang haben die österreichischen Bundespräsidenten ja auch bewusst auf die Anwendung ihrer Macht verzichtet.

Warum war man damals auf das Nachbarland fixiert?

Nach dem Ersten Weltkrieg war das Habsburger-Reich zerfallen. Übrig blieb ein Land, das sich für kurze Zeit Deutsch-Österreich nannte und sich Deutschland angeschlossen hätte. Der deutsche und der österreichische Außenminister hatten sogar schon vereinbart, dass der Reichspräsident die Hälfte des Jahres in Berlin und die andere Hälfte in Wien residiert. Doch aus der Einverleibung Österreichs wurde nichts, weil es die Siegermächte verboten haben. Trotzdem orientierte man sich in Österreich weiterhin oft an Deutschland.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: