Österreich:Opposition fordert Straches Rücktritt - Reaktion von Kanzler Kurz erwartet

Austrian Interior Minister Kickl and Vice Chancellor Strache attend a news conference in Vienna

Österreichs Vizekanzler Strache mit Innenminister Kickl.

(Foto: REUTERS)
  • Heimlich gemachte Videoaufnahmen belasten Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache schwer und erschüttern die Koalition in Wien.
  • Kanzler Kurz wird sich am Vormittag zu den Konsequenzen aus den Enthüllungen äußern. Österreichische Medien berichten unter Berufung auf Regierungskreise, dass Strache nicht zu halten sein dürfte.
  • Aus den Oppositionsparteien kommt nicht nur der Ruf nach dem Rücktritt Straches, sondern auch nach Neuwahlen.
  • Auf den brisanten Aufnahmen ist zu sehen, wie Strache vor seiner Regierungsbeteiligung 2017 einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte mutmaßlich illegale Geschäfte anbot, falls sie ihm zum Wahlsieg verhelfe. Das Material war der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel zugespielt worden.

Nach den Enthüllungen von Süddeutscher Zeitung und Spiegel zu FPÖ-Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache fordern die Oppositionsparteien diesen zum Rücktritt auf. Auch Kanzler Sebastian Kurz, dessen konservative ÖVP seit etwa eineinhalb Jahren gemeinsam mit der FPÖ regiert, steht unter Druck. Österreichischen Medien zufolge wird sich der Regierungschef am späteren Vormittag zu der Causa äußern.

Strache wird einem Medienbericht zufolge an diesem Samstag um 11 Uhr im Bundeskanzleramt erwartet. Das meldete die österreichische Nachrichtenagentur APA. Danach wollten sich Strache und Kurz an die Öffentlichkeit wenden. Kurz schließt nach dpa-Informationen eine weitere Zusammenarbeit mit seinem Vizekanzler aus. Ein Rücktritt oder eine Entlassung des 49-jährigen Strache ist damit die logische Folge.

In der FPÖ werde dem Standard zufolge davon ausgegangen, dass Strache und FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus zurücktreten müssen, schrieb das Blatt und berief sich dabei auf "informierte Kreise".

Heimlich gedrehte Videoaufnahmen von 2017, die den heutigen Vizekanzler Strache sowie Gudenus in einem Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte zeigen, hatte die Krise am Freitagabend ausgelöst. Die Aufnahmen wurden der Süddeutschen Zeitung und dem Spiegel zugespielt. Es zeigt Strache, wie er der Frau dubiose und teils mutmaßlich illegale Geschäfte anbietet, falls sie ihm zum Wahlsieg verhilft.

Auch die Kronen-Zeitung berichtet, dass die Stunden von Strache als Vizekanzler auf jeden Fall gezählt sein dürften. "Er wird nicht zu halten sein" sei am Freitagabend aus der Koalition zu hören gewesen, berichtet das Blatt, das in der Affäre selbst eine besondere Rolle einnimmt. So ist eines der Themen in dem Gespräch zwischen Strache und der dubiosen Russin, wie man das österreichische Boulevardblatt zum Machtinstrument der FPÖ umbauen könnte. Die Frau und ihr Begleiter stellen dabei in Aussicht, 50 Prozent der österreichischen Kronen-Zeitung kaufen zu können, um diese auf Parteilinie zu bringen.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker teilte in einer ersten Reaktion der Partei auf die Veröffentlichungen mit, dass weder Strache noch die FPÖ "niemals irgendwelche Vorteile von diesen Personen erhalten oder selbigen gewährt" hätten. Zudem warf er die Frage auf, wer von der Veröffentlichung eine Woche vor der Europawahl Nutzen aus der Veröffentlichung der Aufnahmen ziehe. Die Rechtsanwälte der Partei prüften das ihnen zugängliche Material. "Da das Video ganz offensichtlich illegal aufgenommen wurde, bereiten wir auch entsprechende Rechtsschritte vor", kündigte er an.

Doch nicht nur die FPÖ, auch die Staatsanwaltschaft will das Videomaterial auf juristische Konsequenzen hin prüfen. Es stelle sich die Frage, ob es sich nur um Gerede gehandelt habe oder es konkrete Hinweise auf ein strafbares Verhalten gebe, zitiert die Zeitung Kurier einen Sprecher des Justizministeriums. Die Justiz werde bei den beiden Medien um das gesamte, ungeschnittene Videomaterial bitten und dann die erforderlichen Schritte setzen, sagte der Sprecher weiter. Ob Ermittlungen eingeleitet würden, sei deshalb noch offen. Die Prüfung des Videos sei der erste Schritt. Aus Gründen des Quellenschutzes lehnt die SZ es allerdings ab, die Aufnahmen an die Justiz zu übergeben.

Opposition fordert "Aufklärung, Rücktritt und Neuwahl"

Österreichs Opposition fordert nach den Enthüllungen Konsequenzen. Die Koalition sei untragbar und Neuwahlen unausweichlich, schrieb die Vorsitzende der Partei Neos, Beate Meinl-Reisinger, auf Twitter. Auch Neos' Spitzenkandidatin für die Europawahl, Claudia Gamon, schloss sich den Forderungen an.

Der Spitzenkandidat der Grünen, Werner Kogler, forderte Kanzler Sebastian Kurz auf, die Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP aufzukündigen. Andernfalls sei er selbst untragbar. Kogler nimmt auch den FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky ins Visier. Dieser müsse als Generalsekretär der FPÖ von den Spendenpraktiken gewusst haben. Er solle alle Einnahmen und Wahlkampffinanzierungen offenlegen. Die Liberalen von Neos kritisieren zudem den heutigen Innenminister Kickl, der zum Zeitpunkt des Videos Generalsekretär der Partei war.

Auch die SPÖ fordert den Rücktritt Straches: Andreas Schieder, stellvertretender Bundesparteivorsitzender und SPÖ-Spitzenkandidat für die Europawahl, schrieb auf Twitter, Strache und Gudenus seien bereit Europas Demokratie an Russland zu verkaufen. Er forderte "Aufklärung, Rücktritt und Neuwahl".

SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner interpretierte, das Video lasse tief blicken. "Der Weg in die illiberale Demokratie - für manche offenbar ein Synonym für Kleptokratie - war lange geplant. Es ist Zeit, diesem Spuk ein Ende zu machen." Strache und Gudenus müssten sofort zurücktreten, Kanzler Kurz die Verantwortung für die Koalition übernehmen. In einer zusätzlich auf Facebook veröffentlichten Video-Botschaft sprach Rendi-Wagner von schweren strafrechtlich relevanten Tatbeständen.

Die Organisation Reporter Ohne Grenzen Österreich schrieb nach den Enthüllungen auf Twitter mit Bezug zu politischen Einflüssen auf die Kronen-Zeitung: "Medien dürfen keine Ware für Korruptionsgeschäfte sein!"

Strache erwähnt in dem Video zudem eine mutmaßlich illegale Form der Parteispende: über einen zwischengeschalteten gemeinnützigen Verein. Es gebe da ein "paar sehr Vermögende", die - potentiell - zwischen einer halben und zwei Millionen Euro zahlen, sagt Strache.

In Österreich müssen Parteispenden ab 50 000 Euro sofort an den Rechnungshof gemeldet werden. Die FPÖ hat allerdings seit 2012 keine solche Großspende mitgeteilt. Der Sprecher des Rechnungshofes schrieb, die Institution sehe sich veranlasst, von der FPÖ Aufklärung zu verlangen.

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