Österreich:Schräge Begleitmusik

Österreich: Beim Nato-Gipfel wankte Jean-Claude Juncker (Mitte), nun fordern Österreichs Rechtspopulisten seinen Rücktritt.

Beim Nato-Gipfel wankte Jean-Claude Juncker (Mitte), nun fordern Österreichs Rechtspopulisten seinen Rücktritt.

(Foto: AP)

Die FPÖ attackiert EU-Kommissionspräsident Juncker. Begonnen hatte die Posse nach dessen Auftritt beim Nato-Gipfel, wo der 63-Jährige ins Schwanken geriet.

Von Peter Münch, Wien

Auf der Webseite der FPÖ steht das Thema ganz oben, seit Tagen schon: "Torkelnder Juncker soll rasch den Hut nehmen", lautet die Überschrift. Im Text werden dann so kräftige Breitseiten auf den EU-Kommissionspräsidenten abgefeuert, dass mittlerweile Aufregung herrscht von Wien bis Brüssel. Schließlich wütet hier nicht irgendeine rechtspopulistische Partei im üblichen Stil gegen die EU-Spitze. Die FPÖ ist Teil der österreichischen Regierung - und mit den Attacken auf Juncker liefert sie eine schräge Begleitmusik zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft.

Begonnen hatte die Posse nach Junckers Auftritt beim Nato-Gipfel vorige Woche, wo der 63-Jährige ins Schwanken geriet und gestützt werden musste. Erklärt wurde dies mit einem Ischiasleiden als Spätfolge eines Autounfalls vor fast 30 Jahren. Harald Vilimsky, Generalsekretär der FPÖ und Abgeordneter im Europaparlament, ordnete das Ganze jedoch "in eine Reihe von offensichtlichen Alkoholproblemen" ein. Juncker mache damit "die gesamte Europäische Union zur Lachnummer" und solle schleunigst zurücktreten. Kritik an seiner Ferndiagnose konterte Vilimsky mit dem Hinweis, er habe sich "als Laie in die Ischiasproblematik etwas eingelesen" und dabei nichts Passendes zu Junckers "Auffälligkeiten" gefunden.

Österreichs EU-Kommissar Johannes Hahn stellte sich daraufhin schützend vor seinen Kommissionspräsidenten und forderte ebenso wie der österreichische EU-Abgeordnete Othmar Karas eine Entschuldigung Vilimskys. Beide gehören zur ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz, doch der sieht bislang keinen Handlungsbedarf und schweigt zu den Angriffen aus dem Lager seines Regierungspartners. So kann die FPÖ weiter Stimmung machen gegen Brüssel, ganz so wie in den alten Zeiten, als sie noch kein Koalitionsvertrag auf einen "proeuropäischen Kurs" verpflichtete.

Im EU-Parlament gehört die Partei ja ohnehin noch zur Fraktion der EU-Gegner. Die hat übrigens tatsächlich ein Alkoholproblem und neulich eine Rüge der Finanzprüfer kassiert, weil sie für ihre Sitzungen in einem Jahr 228 Flaschen Champagner in Rechnung gestellt hat. Vilimsky behauptete danach, dieser Missbrauch gehe allein aufs Konto der Leute um Marine Le Pen. Die Fraktion verlassen wollte er deshalb nicht. Er werde "nicht ein politisches Konzept über den Haufen werfen, nur weil ein paar Franzosen bei Abendveranstaltungen Champagner trinken".

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