Österreich:Schlamperei und Druck von oben

In Österreich herrscht Entsetzen über die Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung nach der Präsidenten-Stichwahl. Im Anfechtungsprozess macht sich vor allem die FPÖ zum Gespött.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Am dritten Tag der Zeugenanhörung im Prozess um die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl in Österreich überlagerte erstmals Galgenhumor das Entsetzen. Nachdem Dutzende Wahlleiter und Beisitzer vor dem österreichischen Verfassungsgericht bestätigt hatten, dass man die Vorgaben zur Auszählung der Briefwahl nach der Stichwahl vom 22. Mai eher kreativ ausgelegt habe, gab es am Mittwochnachmittag zwei gefühlte Höhepunkte in den Befragungen: das Lob des Verfassungsgerichtspräsidenten für einen Beamten, der "alles richtig gemacht" und damit dem Richter "ein klein wenig das Vertrauen in das Berufsbeamtentum wiedergegeben" habe. Und einen ratlosen Zeugen von der FPÖ, die diese Wahlanfechtung nach dem historisch knappen Sieg des grünen Kandidaten überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte: Der Beisitzer der Wahlkommission aus dem steirischen Liezen, der bei der Auszählung der Briefwahlkarten anwesend gewesen war, konnte selbst nicht mehr so recht verstehen, wie sein schönes Städtchen in eine Datensammlung geraten war, in der die FPÖ Verstöße und Regelwidrigkeiten zusammentrug, um ihre Wahlanfechtungsklage zu unterfüttern. Es habe "ja keine Einwände" gegen das Prozedere der lokalen Behörde gegeben.

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