Österreich:Kurz und schmerzlos

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Eng beisammen: ÖVP-Chef Sebastian Kurz (links) und der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache demonstrieren bei den Koalitionsgesprächen Harmonie, aber beim Thema Rauchverbot stehen noch Kämpfe an. (Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)

Der junge ÖVP-Chef treibt die Regierungsbildung mit der FPÖ voran. Schon nächste Woche könnte es so weit sein: Denn zum EU-Gipfel will er als neuer Kanzler anreisen.

Von Peter Münch, Wien

Zum Sieger kommen alle gern, und so herrscht dichtes Gedränge auf der Terrasse des Kursalons Hübner in Wien. Sebastian Kurz hat "Freunde, Unterstützer und Kollegen" zum winterlichen Abschluss seines überaus erfolgreichen Jahres geladen, und als Gastgeber steht er fast eine geschlagene Stunde lang in eisiger Kälte am Eingang, um auch wirklich jeden der ungefähr tausend Gäste persönlich zu begrüßen. Politiker sind gekommen, Wirtschaftsleute und ein paar Showstars. Für jeden hat er ein nettes Wort, erkundigt sich, ob "alle gut eingepackt" sind, und wer es wirklich wissen will, dem sagt er umweht von Punsch- und Maroni-Düften auch, wie es weitergeht mit Österreich. "Wir werden uns bemühen, schneller zu sein als in Deutschland", verspricht er. "Bis Weihnachten sollten wir eine stabile Regierung zusammenbringen."

Anerkannte Asylbewerber sollen erst nach zehn Jahren die Staatsangehörigkeit erhalten

Gewiss ist eine Regierungsbildung, die flotter läuft als in Berlin, keine wirkliche Herausforderung für den zum Goldjungen hochgejubelten Chef der Volkspartei (ÖVP). Doch bemerkenswert ist es schon, mit welcher Disziplin, Zielorientierung und fast bis zur Schmerzgrenze demonstrierten Harmonie ÖVP und FPÖ seit der Parlamentswahl vom 15. Oktober ihre Koalitionsverhandlungen durchziehen. Ein paar schwerere Brocken sind zwar noch aus dem Weg zu räumen. Aber die insgesamt 25 Fachgruppen haben ihre Arbeit abgeschlossen. Verhandelt wird nur noch in der sogenannten Steuerungsgruppe um Kurz und den FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der 20. Dezember wird als Termin für die Vereidigung - auf Österreichisch "Angelobung" - der neuen Regierung gehandelt. Optimisten rechnen mit einer noch schnelleren Einigung: bis zum 12. Dezember. Das hätte für Kurz den charmanten Vorteil, dass er am 14. Dezember als Kanzler zum Brüsseler EU-Gipfel fliegen könnte.

Was bisher an Ergebnissen nach draußen drang, deutet nicht auf eine rechte Revolution, aber doch auf die vom Wähler gewünschte konservative und teils kantige Wende hin. Am deutlichsten wird das beim Thema Zuwanderung und Sicherheit. Zu verhandeln gab es hier wenig. Strache musste nur darauf achten, dass die von Kurz aus den FPÖ-Flyern kopierten Forderungen auch tatsächlich ins Regierungsprogramm kommen. So sollen abgelehnte Asylbewerber schneller abgeschoben und die Zuwendungen an Flüchtlinge gekürzt sowie verstärkt auf Sachleistungen umgestellt werden. Anerkannte Asylbewerber sollen nicht wie bisher nach sechs, sondern erst nach zehn Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen können. Zudem soll die Polizei personell verstärkt und besser bezahlt werden.

Schnelle Einigungen wurden auch in der Bildungspolitik vermeldet. Strache jubelt hier über eine Abkehr vom "gesellschaftspolitisch linken Schulsystem". Leistung müsse wieder stärker im Vordergrund stehen, heißt es - auch bei den Lehrern, deren Besoldung daran geknüpft werden soll. In den ersten drei Volksschulklassen werden Zeugnisnoten wieder verpflichtend eingeführt. Wenn Kinder die Schule schwänzen, sollen den Eltern die Sozialleistungen gekürzt werden. Eine kleine Panne im gut geölten Kommunikationsmechanismus gab es dann doch, als ein Tweet von Kurz zu den neuen Bildungszielen am Dativ scheiterte und wegen dreier Fehler rasch gelöscht werden musste.

Zu den noch offenen Fragen in den Verhandlungen zählt der heikle Bereich der direkten Demokratie. Das ist ein Lieblingsthema der Populisten aller Couleur, weshalb die FPÖ mit ein paar steilen Forderungen in die Verhandlungen gegangen ist. Eine verpflichtende Volksabstimmung soll dann abgehalten werden, wenn vier Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterzeichnet haben. Die ÖVP will die Hürde höher legen, auf zehn Prozent, und obendrein sicherstellen, dass bestimmte Fragen wie zum Beispiel die EU-Mitgliedschaft Österreichs nicht zum Abstimmungsthema gemacht werden dürfen.

Kompromisse müssen auch noch in weitreichenden Reformfragen gefunden werden - zum einen beim aufgeblähten System der Sozialversicherungen, zum anderen bei den Arbeiter- und Wirtschaftskammern, deren Abschaffung die FPÖ fordert. Überstrahlt wird all das in der öffentlichen Debatte aber von einem anderen Thema, das der FPÖ am Herzen und anderen auf der Lunge liegt: das absolute Rauchverbot in Gaststätten. Es soll im Mai in Kraft treten, doch die Wirte rebellieren, und Strache hat sich des Themas mit glimmendem Furor angenommen. "Demnächst kommt der Staat und sagt, Schweinsbraten darf man auch nicht essen, weil der ungesund ist", argumentiert er.

Bevor dann am Ende doch noch weißer Rauch aufsteigen kann, muss natürlich noch das Personaltableau geklärt werden. Konkret ist auch hier bislang allein die FPÖ geworden, die als Außenministerin die Ex-Diplomatin und Nahostexpertin Karin Kneissl vorgeschlagen hat. Sie ist parteilos und damit problemloser vermittelbar als Kandidaten aus der rechten Riege. Strache selbst wird als Vizekanzler und Minister für "Heimatschutz" gehandelt.

Das letzte Wort hat in diesen Personalfragen aber der aus dem grünen Lager stammende Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Mit Strache verbindet ihn wenig außer der Leidenschaft fürs Rauchen. In den vergangenen Wochen hat er mehrmals an sein Recht erinnert, einzelne Minister abzulehnen. Jüngst hat er jedoch auch wissen lassen, dass er inzwischen mit der FPÖ "eine kleine Vertrauenskultur" aufgebaut habe.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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