Regierung Kurz/Strache:Österreich irrlichtert gen Osten

Kurz und Strache

Vizekanzler Hein-Christian Strache (FPÖ) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) während einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt im Februar.

(Foto: picture alliance / Herbert Neuba)

Kanzler Sebastian Kurz wäre gerne Brückenbauer, doch sein Regierungspartner FPÖ schürt das Misstrauen der EU-Partner gegenüber Wien.

Kommentar von Peter Münch

Österreich hat einen postimperialen Traum, den es gern als Auftrag versteht: Brückenbauer will das Land sein, von West nach Ost und sonst wohin. Prädestiniert dazu ist man durch die geopolitische Lage im Herzen Europas und durch die in der Verfassung festgeschriebene "immerwährende Neutralität".

Schon Bruno Kreisky selig hat in der Vermittlerrolle reüssiert, aktuell wird sie wieder und wieder von Kanzler Sebastian Kurz beschworen, zumal in diesem Halbjahr der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft. Nur die Wahrnehmung von außen ist zunehmend anders. Denn da wirkt Österreichs Außenpolitik als bestenfalls irrlichternd und oft genug allzu Moskau-affin.

Gleich zwei Debatten drehen sich in diesen Tagen darum, ob man Österreich noch trauen kann: Zum einen geht es um eine seit dem Frühjahr schon schwelende Geheimdienstaffäre. Angetrieben vom FPÖ-geführten Innenministerium waren bei einer Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) kistenweise Unterlagen beschlagnahmt worden, darunter Berichten zufolge auch sensible Daten von westlichen Partnerdiensten.

Die Washington Post vermeldet nun, dass als Reaktion darauf andere Geheimdienste Österreich von ihren Informationen ausschließen würden. Ex-BND-Chef August Hanning legte in der Bild-Zeitung nach mit der Warnung, dass nach den Vorkommnissen beim BVT "Vorsicht geboten" sei.

Diese Vorsicht gründet in der Angst, dass westliche Geheimdienstinformationen via Österreich in die falschen Hände gelangen könnten - und dass die Spur dieses Verdachts bis nach Moskau weist, haben sich die Österreicher selbst zuzuschreiben, walzertanzend zum Beispiel. Die zweite Debatte dreht sich nämlich um Außenministerin Karin Kneissl, die auf ihrer Hochzeit nach einem Tänzchen mit dem Ehrengast Wladimir Putin einen formvollendeten Knicks machte. Das konnte man als Kniefall vor dem russischen Präsidenten deuten.

Der fehlende Protest der EU in Wien offenkundig missverstanden

Denn jenseits dieser persönlichen Peinlichkeit existieren enge politische Bande zwischen der Regierungspartei FPÖ, auf deren Ticket Kneissl ihr Amt versieht, und Putins Partei Einiges Russland. Zur Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrags war Parteichef Heinz-Christian Strache 2016 nach Moskau gereist.

Als Brückenbaumeister Kurz sich diese FPÖ Ende 2017 in die Regierung holte, wusste er, welche Freunde er sich damit einhandelte. Großzügig gestand er dem rechten Partner dennoch nicht nur die Bestallung des Außenamts, sondern auch des für die Geheimdienste zuständigen Innen- und Verteidigungsministeriums zu.

Die FPÖ sitzt an Schlüsselstellen, und Strache darf als Vizekanzler ein Ende der von Österreich offiziell mitgetragenen EU-Sanktionen gegen Russland fordern.

So baut man keine Brücken, sondern schürt Misstrauen unter den Partnern im Westen. Dass die EU, anders als bei der ersten Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2000, nun auf jeglichen Protest gegen die Rechten verzichtete, mag man in Wien als Persilschein verstanden haben. Das war offenkundig ein Missverständnis.

Die Reaktionen auf die Geheimdienstaffäre deuten darauf hin, dass die Österreicher von ihren Partnern wachsam und mit wachsendem Zweifel beobachtet werden. Das ist notwendig und richtig. Und nachhaltiger als die 2000 fehlgeschlagene Ausgrenzungspolitik.

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