Österreich:Im Strudel des Skandals

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Der Ex-Grüne Peter Pilz tritt nach Vorwürfen der sexuellen Belästigung drei Wochen nach der Nationalratswahl zurück - offen ist, wie seine erst im Juli gegründete Partei nun im Parlament weitermacht.

Von Peter Münch, Wien

„Als Signal an die Geschlechtsgenossen“ sieht Peter Pilz seinen Rückzug aus dem Nationalrat drei Wochen nach der Wahl. (Foto: Hans Klaus Techt/dpa)

Selbst den eigenen Abgang hat Peter Pilz mit wuchtigen Worten begleitet: "Wir älteren und mächtigen Männer müssen bereit sein, auch etwas dazuzulernen." Es war das Schlusswort zu einer eilig einberufenen Pressekonferenz im Wiener Café Landtmann, auf der Pilz wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung nach 31 Parlamentsjahren seinen Rückzug aus dem Nationalrat verkündete. Als "Signal an die Geschlechtsgenossen" will er das verstanden wissen. Die weltweite Debatte zu sexuellen Übergriffen ist damit auch in Österreich angekommen - und sie bringt gleich eine der schillerndsten Figuren des Wiener Politikbetriebs zu Fall. Das dürfte noch einige Nachspiele haben.

Der "Aufdecker der Nation" streut den Verdacht, dass er Opfer einer Kampagne sei

Rund um die Parlamentswahl am 15. Oktober hatte der 63-jährige Pilz noch die Schlagzeilen beherrscht, weil er die einst von ihm mitgegründeten Grünen im Streit verlassen hatte und mit seiner eigenen Liste angetreten war. Die "Liste Peter Pilz" schaffte den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde, die Grünen gingen unter. Das nährte noch den Nimbus jenes Mannes, den sie den "Aufdecker der Nation" nennen, weil er seit Jahrzehnten beharrlich und mit reichlich Sinn zur Selbstdarstellung in Korruptions- und sonstigen Affären wühlt. Nun aber ist er selbst in den Strudel eines Skandals geraten.

Die Wochenzeitung Falter hatte am Samstagmorgen einen Vorfall aus dem Jahre 2013 ans Licht gebracht, bei dem Pilz am Rande des "Europäischen Forum Alpbach", einer renommierten Konferenz in Tirol, in offensichtlich angetrunkenem Zustand überfallartig eine Frau belästigt haben soll. Die namentlich nicht genannte Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei berichtet: "Seine Hände waren überall. Zuerst umklammerte er meinen Arm, mit der anderen Hand war er an meinem Hals und dann an meinem Busen und Rücken." Zwei andere Männer hätten Pilz schließlich wegzerren müssen und könnten den Vorfall bezeugen.

Pilz sagte nun vor der Presse, "an diesen Vorfall kann ich mich persönlich nicht erinnern. Aber persönliche Erinnerungslosigkeit ist keine Entschuldigung." Es tue ihm leid, dass er "möglicherweise einer Frau wirklich unrecht getan" habe und er übernehme dafür die Verantwortung. "Die Maßstäbe, die ich für andere setze, gelten auch für mich."

Ins Rollen gekommen war die Affäre allerdings schon einen Tag vorher, als das Magazin Profil und die Tageszeitung Die Presse aus einer ihnen zugespielten Akte zitierten, in der eine frühere Mitarbeiterin von Pilz massive Vorwürfe erhebt. Aufgelistet sollen dort insgesamt 40 Fälle aus dem Jahr 2015 sein, in dem Pilz die Beschäftigte in seinem Grünen-Abgeordnetenbüro belästigt habe. Zitiert werden übergriffige und zotige Bemerkungen des Schlags, dass die Frau ihr "Höschen einpacken" solle, um mit ihm in Urlaub zu fahren. Zudem soll es zur versuchten körperlichen Annäherung gekommen sein. Die Mitarbeiterin hatte sich an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt, eine staatliche Einrichtung zum Schutz vor Diskriminierung. Zitiert wird nun aus einem Schreiben dieser Stelle, in dem sie zu dem Schluss kam, dass "die äußerst glaubhaft geschilderten Verhaltensweisen nach unserer Beurteilung die Tatbestände der sexuellen Belästigung erfüllen".

In diesem Fall jedoch sieht sich Pilz als Opfer. Vehement bestreitet er, dass es "irgendeine Form der sexuellen Belästigung gegeben hat". Nach seiner Darstellung handelt es sich "im weitesten Sinne um einen Arbeitskonflikt". Die Mitarbeiterin sei "ehrgeizig" gewesen und habe von ihm eine Beförderung verlangt. Als dies abgelehnt wurde, habe sie mit Arbeitsverweigerung gedroht und sich krank gemeldet. Irgendwann seien dann die Belästigungsvorwürfe aufgekommen.

Pilz streut nun den Verdacht, dass es sich bei der Veröffentlichung des Falls zum jetzigen Zeitpunkt um eine Abrechnung der abgewählten Grünen handeln könne. "Fallen mit den Mandaten und den Jobs auch die Hemmungen weg?", fragte er. "Heißt das jetzt Rache für das, was nicht ich, sondern Wählerinnen und Wähler entschieden haben?" Die Grünen bestreiten das vehement und verweisen darauf, dass die beschriebenen Vorfälle allein deshalb damals keine weiteren Kreise gezogen hätten, weil die betroffene Mitarbeiterin, die umgehend versetzt worden sei, auf Verschwiegenheit bestanden habe.

Mitstreiter von Peter Pilz haben sogleich den Vorwurf einer gegen ihn gerichteten "Kampagne" aufgegriffen. Das "politische Ziel", die Liste Pilz als Oppositionskraft gegen die angestrebte Koalition aus ÖVP und FPÖ zu schwächen, werde "nicht erreicht werden", heißt es in einer Erklärung. Pilz selber kündigte an, seine Liste "von außen" weiter zu unterstützen. Offen bleibt allerdings, wie es nach dem Rückzug des Gründers weitergeht. Acht Abgeordnete im neuen Nationalrat sind erst einmal führungslos. Vor allem wird die "Liste Peter Pilz" einen neuen Namen brauchen. Die Umbenennung, so heißt es, war allerdings ohnehin bereits geplant.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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