Österreich:Haiders Erbschaft

Jörg Haiders Tod nimmt nicht nur Farbe aus Österreichs Politik: Die radikale Rechte verliert ihre Führerfigur. Doch jetzt könnte sie sich wieder versöhnen - und an die Macht gelangen.

Michael Frank, Wien

Im Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ), der von Jörg Haider gegründeten Rechtspartei, herrscht Entsetzen über den Tod des Mentors. Allzu oft fällt das Wort vom Verlust des "Lebensmenschen", um zu beschreiben, was der österreichische Ausnahmepolitiker Haider für manchen bedeutet habe. Aber einzig das BZÖ selbst hat wahrhaftig einen Verlust zu beklagen: Die Partei weiß, dass sie das Wörtchen Zukunft aus ihrem Namen tilgen muss. Ohne Haider ist dieses seltsame Bündnis der Ämter- und Privilegienritter ganz einfach nichts.

Jörg Haider

Jörg Haider bei Autounfall getötet: Trauer in Klagenfurt

(Foto: Foto: dpa)

Um den nun verwaisten BZÖ-Vorsitz werden sich solcherlei Leute balgen: ein gerichtsnotorischer Lügner; ein früherer Verteidigungsminister, der gegen Volkes und Haiders Willen Eurofighter-Kampfflugzeuge angeschafft hat; Haiders bisheriger Generalsekretär, ein sympathischer, aber hilfloser Mensch; ein frömmelnder Volkstumsideologe, der die "Besatzung" der Alliierten nach Österreichs Befreiung 1945 für allemal so schlimm hält wie die Nazi-Herrschaft selbst. Das verspricht keine Zukunft.

Chance für eine geeinte Rechte

Haiders Tod nimmt nicht nur Farbe und Dynamik aus Österreichs Politik. Er schwächt die radikale Rechte des Landes ideell; sie verliert ihre Führerfigur. Institutionell und machtpolitisch jedoch könnte Haiders Ende die Gesinnungsgenossen gar stärken. Es dürfte nicht lange dauern, bis sich BZÖ und Freiheitliche Partei (FPÖ) unter Heinz-Christian Strache entweder wiedervereinigen oder zumindest zu einer Gemeinschaft zusammenschließen.

Es war Haider, der im Jahr 2005 das BZÖ von der FPÖ abgespalten hat, unter Mitnahme aller Ämter und Mandate. Bei den traditionellen Freiheitlichen galt er danach als Verräter. Nach der letzten Nationalratswahl aber teilten sich Haider und Strache den Triumph - Strache bekam gar mehr als 18 Prozent. Die FPÖ war auch ohne, ja sogar gegen Haider wieder stark geworden. Aber mit Haider war eine Wiedervereinigung unmöglich. Nun, nach seinem Tod, ist sie geradezu geboten. Das führungs- und vaterlose BZÖ wird rasch bei der gewachsenen FPÖ Unterschlupf suchen. Denn es hat außerhalb Kärntens weder organisatorische noch personelle Ressourcen.

FPÖ und BZÖ sind Geist vom gleichen Geiste. Abstufungen in der Grobheit bei der Diffamierung alles Fremden oder bei antisemitischen Anklängen sind nur graduell. FPÖ-Führer Strache ist zwar halb so charismatisch, aber auch halb so sprunghaft wie Haider es war. So wird für die anderen Parteien ein Bündnis mit der neu sortierten Rechten unter Straches Führung auf einmal interessant, will man die verhasste Großkoalition aus SPÖ und ÖVP nicht wiederbeleben. Die radikale Rechte liegt gemeinsam längst gleich auf, hat mehr Stimmen und Sitze als die bürgerlichen Christsozialen. Mit Haider hätte man einen komplizierten Dreibund schmieden müssen. Ohne ihn wird alles viel einfacher.

SPÖ-Chef Faymann, der mit der Regierungsbildung beauftragt ist, will unbedingt wieder die ÖVP ins Boot holen und schließt eine Koalition mit den Freiheitlichen oder dem BZÖ aus. Sein Gegenüber, der designierte ÖVP-Chef Josef Pröll, kann ihm nun mit der ungenierten Drohung das Leben schwermachen, doch lieber mit der nationalistischen Rechten zu koalieren. Strache erscheint als prinzipiell zuverlässigerer, als es Haider je war. Viele Sozialdemokraten sehen das übrigens genauso und nehmen ihrem Chef übel, dass er sich auf die ÖVP-Variante festlegt.

Denn die Sozialdemokraten stecken in einem Dilemma: Gehen sie wieder eine Piranha-Koalition mit der Volkspartei ein, dann wächst unvermeidlich das rechte Wählerpotential. Und eine linke Protestalternative gibt es nicht. So könnte Haider seinem Ziehsohn und nachmaligen Erzfeind Strache durch seinen Tod über kurz oder lang bescheren, was er selbst so ersehnt und nie erreicht hat: Bundeskanzler von Österreich zu werden.

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