Österreich:Aus dem Leim gegangen

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Wegen fehlerhafter Kuverts wird die Bundespräsidenten-Stichwahl in Österreich wohl abermals verschoben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl am 2. Oktober steht vor dem Aus. Zwar hat die Regierung in Wien noch nicht endgültig entschieden, ob die - vom Verfassungsgerichtshof Anfang Juli wegen Unregelmäßigkeiten aufgehobene - Wahl tatsächlich auf einen späteren Termin verschoben wird, aber alle Zeichen deuten darauf hin. Grund sind fehlerhafte Wahlkarten, wie die Briefwahlunterlagen in Österreich heißen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) kündigte am Freitag im ORF schon an, der Wahltermin werde sich womöglich nicht halten lassen, allerdings betrachte er diese Lösung als letztes Mittel. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) lässt eine Verschiebung prüfen, seine Partei hat bereits einen Ersatz-Termin im November vorgeschlagen. Auch die Grünen fordern eine Verschiebung.

Verfassungsrechtler landauf, landab diskutieren, wie das gesetzlich zu machen sei - eigentlich ist eine Wahlverschiebung im österreichischen Bundespräsidentenwahlgesetz nur dann vorgesehen, wenn einer der Kandidaten stirbt. Im aktuellen Fall könnte das Parlament eine Verordnung oder eine Gesetzesänderung beschließen; das wäre wohl in einer Woche möglich. Eine entsprechende Formulierung könnte schon am Dienstag im Nationalrat eingebracht werden; angeblich arbeiten Experten schon an einer "wasserdichten Lösung". Innenminister Sobotka sagte am Freitagmorgen in einer Pressemitteilung: "Wenn eine ordnungsgemäße Durchführung der Wahl aufgrund eines augenscheinlichen Produktionsfehlers nicht möglich ist, dann ist es meine Aufgabe als oberster Leiter der Wahlbehörde, eine Verschiebung umgehend zu prüfen". Er entschuldige sich bei der Bevölkerung für die "Unzulänglichkeiten".

Im Pausenmodus: Bis sie wissen, wer von ihnen Bundespräsident wird, müssen sich Alexander van der Bellen (li.) und Norbert Hofer nochmals gedulden. (Foto: Lisi Niesner/dpa)

Die Objekte des Missvergnügens, über die das ganze Land spricht, sind jene Umschläge, in denen der Briefwahlzettel erst an die Wahlbehörde und von dieser an Briefwähler verschickt wird. Sie kleben von selbst - oder sollten das zumindest tun; die Umschläge selbst mit Klebestreifen zu verschließen, wenn der Kleber nicht hält, ist verboten. In den vergangenen Tagen sind jedoch landesweit Hunderte Umschläge aufgetaucht, die sich nach dem Verkleben wieder öffneten, manche tun das sofort, manche offenbar erst nach Stunden oder Tagen. Landen sie so bei der Wahlbehörde, müsste sie diese am Wahltag aussortieren. Stimmen von Wählern, die eigentlich ordnungsgemäß gewählt haben, würden dann verfallen. Das aber widerspricht dem gesetzlich festgelegten Recht, das jeder Wähler genießt.

Ein Ministerium riet, die Kuverts mit Kleber zu schließen - jedoch "ohne dass es auffällt"

Verwirrung und Entsetzen sind allseits groß. Schließlich sollte diesmal alles ganz besonders richtig gemacht werden, nachdem das Verfassungsgericht der Wahlanfechtungsklage der FPÖ nach der Bundespräsidenten-Stichwahl vom Mai stattgegeben hatte, weil Manipulationen nicht auszuschließen gewesen waren. Ein schlampiger Umgang mit den Regeln war vor allem bei der Auszählung der Briefwahlunterlagen aufgefallen; daher gilt es jetzt als umso ärgerlicher, dass es just wieder die Briefwahl ist, die nicht funktioniert.

Warum der Kleber nicht hält, das konnte die zuständige Druckerei bisher nicht erklären. Dem Vernehmen nach ist eine "Leimspur defekt". Die Hotline des Innenministeriums riet Anrufern jüngst schon mal, einen Uhu-Stick zu benutzen, das dürfe aber nicht auffallen. Das Lager von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, dessen Partei bei Briefwählern traditionell schlechter abschneidet als linke Parteienvertreter, hatte schon vor der Wahlanfechtung dafür geworben, die Briefwahl ganz abzuschaffen; umso lauter votiert die FPÖ auch jetzt erneut für eine Abschaffung der Möglichkeit, abseits der Urne zu wählen. Sollte das Innenministerium nicht in der Lage sein, Wahlkarten auszugeben, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, so müsse man sich die Alternative einer Wahl ohne Briefwahl überlegen, so Hofer.

Die Grünen, deren Kandidat Alexander Van der Bellen im Mai aus der später beanstandeten Stichwahl als Sieger hervorgegangen war, sind empört, dass ihr Wahlkampf nun womöglich ein drittes Mal von vorn losgehen muss. Parteichefin Eva Glawischnig sagte, sie sei "fassungslos", das müsse Konsequenzen haben. Nachdem die defekten Wahlkarten aufgetaucht waren, war darüber spekuliert worden, ob man diese austauschen könne. Aber mittlerweile gibt es Gerüchte, dass Tausende defekte Umschläge unterwegs sind. Von Austauschen ist nun keine Rede mehr.

© SZ vom 10.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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