Bundespräsidentenwahl:Österreichische Wahlleiterin: "Dies ist keine Bananenrepublik"

Presidential election campaign posters of Norbert Hofer and Alexander Van der Bellen are seen in Vienna

Nachdem Stichwahl Nummer eins für ungültig erklärt und Nummer zwei gestoppt wurde, heißt es im Dezember zum dritten Mal: Hofer gegen Van der Bellen.

(Foto: Heinz-Peter Bader/Reuters)

Beim nächsten Versuch, einen österreichischen Präsidenten zu wählen, gibt es neue Regeln. Ein Besuch in Linz zeigt, dass auch bisher ein Ablauf ohne Fehler möglich war.

Von Cathrin Kahlweit, Linz

Sabine Enzenebner hat sich ein buntes, kuscheliges Sofa ins Büro gestellt. Wer ohnehin ständig Überstunden mache, findet sie, solle sich am Arbeitsplatz zumindest ein wenig wie daheim fühlen dürfen. Genug zu tun war in letzter Zeit im Linzer Neuen Rathaus beim "Amt für Pass-, Meldewesen und Wahlservice" allemal und das Sofa so viel in Benutzung. Es sei hart gewesen, sagt die Beamtin, die nicht wirkt, als sei sie leicht umzuhauen: 2015 hätten ihre Mitarbeiter Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen zu bewältigen gehabt, dazu eine Volksbefragung und die Wahl der Landwirtschaftskammer. "Ging alles glatt."

2016 folgte die erste Runde der Bundespräsidentenwahl, dann die Stichwahl, "die wurde ja aufgehoben", dann die Planung für die Wahlwiederholung, "die wurde bekanntlich verschoben". Der schriftliche Leitfaden, den sie extra für jenen 2. Oktober erstellt hatte, liegt noch auf ihrem Schreibtisch - ein klassischer Fall von "dumm gelaufen". Die Vorbereitungen für die neue Stichwahl am 4. Dezember haben bereits begonnen.

Außerdem standen in der oberösterreichischen Landeshauptstadt unter Enzenebners strengem Regime in den vergangenen Monaten auf der Agenda: Schulungen für 600 Wahlleiter und 1800 Beisitzer, Spezialschulungen für neue Beisitzer. Versammlung nach Versammlung, wenn nötig im großen Festsaal, Erklärungen am laufenden Band, anhand von immer wieder aktualisierten und gedruckten Leitfäden. Und: lange Wahlsonntage, an denen in Gruppen an zusammengeschobenen Tischen ausgezählt wurde, wieder und wieder geprüft, nachgezählt, protokolliert, nochmals geprüft.

Kein Pappenstiel, das ist klar. "Und", sagt Abteilungsleiterin Enzenebner fast triumphierend, "was gern vergessen wird: Wir haben auch noch Superpassjahr". 1,2 Millionen Ausweispapiere liefen demnächst in Österreich aus und müssten erneuert werden. Wohlgemerkt: All das neben dem Alltagsgeschäft, also zusätzlich - und konfrontiert mit einer Kundschaft, die nicht eben gut gelaunt in die Amtsstuben komme. Viele Beschimpfungen habe sie sich anhören müssen wegen der Schlampereien, die überall stattgefunden haben sollen. "Wir waren eine Zeitlang Freiwild." Sie ist empört: "Es war doch keine kriminelle Energie dahinter, dass hier und da im Land etwas falsch lief."

Die österreichische Bürokratie hat einen Ruf zu verlieren

Man muss mit jemandem wie Sabine Enzenebner sprechen, blond, heiter, robust, ehemalige Leiterin der Stadtbibliothek, um zu verstehen, wie verletzt die stolzen Seelen österreichischer Beamten sind. Die österreichische Bürokratie, berühmt aus Kaisers Zeiten für ihre Effizienz, hat schließlich einen Ruf zu verlieren. Genauso wie viele Beamte, die jetzt wie die Linzer Abteilungsleiterin sagen: "Mir war immer wichtig, dass alles korrekt abläuft. Dies ist keine Bananenrepublik."

Bundeswahlleiter Robert Stein hatte die resolute und erfahrene Kollegin aus Linz empfohlen; sie sei bekannt als eine, die es sehr genau nehme. Außerdem ist Enzenebner auch akademisch eine Expertin: Ihre Masterarbeit hat sie geschrieben "Über die Wahlkarte zur Briefwahl". Sie kennt sich aus im Dschungel der Verordnungen und Details. Der oberste Wahlleiter in Wien war nach der Wahlverschiebung im September, die durch defekte Briefwahlkarten nötig geworden war, schwer unter Druck gewesen - so wie der ganze Apparat. Die Österreicher müssten das Wählen wohl erst noch lernen, war im In- und Ausland gelästert worden, oder zumindest müssten sie es noch üben, bis es endlich mal klappt. Das "endlich mal" soll nun der 4. Dezember sein, kurz vor Nikolaus.

Wählerverzeichnisse aktualisiert, schlichtere Briefwahlkarten gedruckt

Damit nichts schiefgeht, wurden einige Regeln geändert. Die Wählerverzeichnisse wurden aktualisiert, nun stehen auch die Jugendlichen darin, die seit der ersten Stichwahl im Mai wahlberechtigt wurden. Neue, schlichtere Briefwahlkarten wurden gedruckt, die nicht wie bisher eine Art Guckloch haben, in dem die Adresse des Wählers zu sehen ist. Sie werden in den nächsten Tagen verschickt und sollen nach allem, was zu hören ist, tatsächlich kleben. Die Stimmzettel dürfen Wähler nun selbst in die Urnen werfen, bisher musste das theoretisch ein Wahlhelfer tun. Und in Zukunft dürfen "Hilfsorgane" den Bezirkswahlleiter dabei unterstützen, die Briefwahl-Umschläge am Tag nach der Wahl morgens ab 9 Uhr zu öffnen. Diese für Außenseiter eher marginal klingenden Änderungen müssen vorerst reichen, grundlegendere Reformen, die das Wahlrecht verschlanken und lebensnaher machen, sind erst in Vorbereitung.

Enzenebner ist durchaus kritisch mit einigen Kollegen, was die Gründe für die Aufhebung der Stichwahl angeht. Die Verfassungsrichter hatten sich regelrecht entsetzt darüber gezeigt, dass entgegen allen Vorschriften die Briefwahlumschläge nicht selten schon am Sonntagabend geöffnet oder schon am Wahlabend gezählt worden waren. Protokolliert wurde dann aber gern, dass man erst am Montag angefangen habe; einige Wahlleiter erteilten sich und ihren Helfern auch eine Art Genehmigung, schon am Sonntag zu beginnen, weil am Montag so wenige Beisitzer zu finden seien und die Tage beim Zählen so lang würden. "Wir haben nie die Idee geboren, vor 9 Uhr anzufangen", sagt die Linzerin spitz. "Und wenn ein Wahltag dauert, dann dauert er eben." Alles werde bei ihr generalstabsmäßig geplant. Aber sie entschuldigt die Kollegen auch: "Linz ist eine Großstadt, wir haben viel personelle Unterstützung. Wenn man auf dem Land sitzt mit drei Leuten und Hunderten Briefwahlkarten, sieht die Sache oft anders aus".

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