Österreich:Abschied von der Sachlichkeit

Heinz Fischer feiert das Ende seiner Amtszeit als Österreichs Bundespräsident. Wer ihm folgt, steht nicht fest. Sicher ist nur: Es wird laut werden und polemisch.

Von Cathrin Kahlweit

Sein Sprecher weinte, seine Frau weinte, nur Heinz Fischer selbst schien sich zu freuen, dass er nun Bundespräsident a. D. ist und mal wieder selbst Auto fahren darf. Nach zwei Amtszeiten war der Sozialdemokrat als Bundespräsident der Republik Österreich mit einem Festakt verabschiedet worden, und zum Schluss fuhr Fischer winkend in einem Leihwagen davon, was seiner Frau Margit wohl nicht ganz so geheuer war; ihrem Mann fehlt mittlerweile ein wenig die Fahrpraxis.

Die Rührung, die zuvor auf der Veranstaltung geherrscht hatte, war vielleicht auch Ausdruck eines stillen Abschieds der regierenden politischen Klasse von sich selbst gewesen, die mit Fischer einen "Klassiker" in Pension schickte. Einen sachlichen, freundlichen, ausgleichenden Mann, dessen Schwiegervater zwei Konzentrationslager überlebt hatte, dessen Frau, Tochter eines jüdischen Wieners und einer Salzburgerin, im schwedischen Exil geboren worden war, und der bei seiner Rede am Freitag das Schicksal der Flüchtlinge und das Friedensprojekt EU in den Mittelpunkt stellte. Als die Gäste sich erhoben und mit dem Klatschen gar nicht mehr aufhören wollten, verbeugte sich Fischer vor ihnen - ein Diener der Republik.

Am 2. Oktober kommt es erneut zur Stichwahl um das Amt des Staatschefs

Sein designierter Nachfolger, der grüne Politiker Alexander Van der Bellen, saß im Zuschauerraum. Er konnte nicht vereidigt werden, weil er nach der erfolgreichen Anfechtung der Stichwahl nun am 2. Oktober in eine neue Runde gehen muss. Sein alter und neuer Gegner Norbert Hofer (FPÖ) nahm an der Veranstaltung als dritter Nationalratspräsident teil. Als solcher wird er, obwohl er ab sofort wieder im Wahlkampf um das Bundespräsidentenamt steht, gemeinsam mit seinen zwei Präsidialkollegen den Bundespräsidenten vertreten - so will es die Verfassung. Massive Kritik daran, dass Hofer diese Rolle aus Anstand nicht ausüben solle, verhallte ungehört. Ohnehin sieht sich Hofer offenbar schon in seiner neuen Rolle. Für Mitte Juli lädt seine Partei zum "Präsidenten-Heurigen".

Austrian outgoing President Heinz Fischers retirement ceremony in

Hinter Heinz Fischer liegen zwölf Jahre als Bundespräsident Österreichs.

(Foto: Christian Bruna/dpa)

Van der Bellen kämpft derweil in Interviews verzweifelt gegen einen Rufmord ganz eigener Art an. Seit einem Jahr bereits, also seit der Grüne über eine Kandidatur für das Präsidentenamt nachdachte, kursieren Gerüchte über eine schwere Erkrankung des Politikers. "Dirty campaigning" nennt er das in der Presse und weist jede Behauptung, er leide an Krebs oder Demenz, verärgert zurück. Er werde im schlimmsten Falle auch eine dritte oder vierte Runde durchstehen, denn er denke nicht daran, so Van der Bellen, das "Geschenk", das ihm die Wählerinnen und Wähler gemacht hätten, "freiwillig herzugeben". Sorgen macht den grünem Team indes die Mobilisierung für die neue Stichwahl; vor allem Studenten, die mehrheitlich für den 72-jährigen gestimmt hätten, seien Anfang Oktober noch nicht wieder an den Universitäten. Es werde wieder ein enges Rennen, so Van der Bellen.

Derweil hat sich Bundeskanzler Christian Kern mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache getroffen; das Gespräch wurde als business als usual bezeichnet, aber so gewöhnlich war es denn doch nicht. Zwar hatte Kern zuvor schon die Vorsitzenden der anderen Nationalrats-Parteien getroffen, doch das Verhältnis zur FPÖ gilt als vergiftet. Offiziell ist bis heute ein Parteitagsbeschluss in Kraft, nach dem die SPÖ auf nationaler Ebene nicht mit den Freiheitlichen koalieren darf. Zumindest auf Landesebene hatte aber bereits vor einem Jahr Landeshauptmann Hans Niessl im Burgenland den heiß diskutierten Tabubruch begangen und sich mit der FPÖ zusammengetan. Seither ringen die Sozialdemokraten um eine Haltung für den Fall, dass es vorgezogene Neuwahlen geben und, wie alle Umfragen prognostizieren, die FPÖ vorn liegen könnte. Die "Ausgrenzungspolitik" der Regierungsparteien, welche die FPÖ stetig kritisiert, soll nun durch einen Kriterienkatalog ersetzt werden, mit dem die Zusammenarbeit der Sozialdemokraten mit anderen Parteien an Bedingungen geknüpft wird: Hetze gegen Minderheiten soll ein Ausschlussgrund sein, ein positives Verhältnis zur EU eine Voraussetzung. Beides würde eine SPÖ-FPÖ-Koalition derzeit wenig wahrscheinlich machen.

Stattdessen geht die ÖVP zunehmend auf die Freiheitlichen zu. Dem Vorstoß von ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka, nach dem Flüchtlinge in Österreich erst nach fünf Jahren Anspruch auf Mindestsicherung (Sozialhilfe) hätten und einer gemeinnützigen Arbeitspflicht unterliegen sollten, stimmte die FPÖ zu, auch wenn er ihr nicht weit genug geht.

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