Ölkatastrophe im Golf:Die Zeit des Zuschauens ist vorbei

Nach der Katastrophe im Golf sollte Obama vor sein Volk treten und eine neue Klimapolitik einleiten.

Reymer Klüver

Noch hat das Desaster im Golf von Mexiko die Einstellung der Amerikaner zum Öl und zur riskanten Öl-Förderung vor ihren Küsten wenig verändert. Noch immer glaubt gut die Hälfte der US-Bürger, dass kein Weg daran vorbei führt. 40Prozent sind der Überzeugung, dass sich eine Ölpest eben nicht vermeiden lässt. Doch muss man die Langzeit-Perspektive im Auge haben. Vor zwanzig Jahren, als die Exxon Valdez die bisher größte Öko-Katastrophe vor Amerikas Küsten ausgelöst hatte, glaubten das noch 80Prozent. Auch im Bewusstsein der Nation, die pro Kopf noch immer mehr Energie verbraucht und verschwendet als jedes andere Land, nimmt die ökologische Vernunft durchaus zu.

Offenkundig sind es stets katastrophale Ereignisse, die sich ins kollektive Gedächtnis brennen und einen Einstellungswandel vorantreiben. 1989 war es die Tankerkatastrophe in Alaska. 2005 beendete der Hurrikan Katrina jäh die Gleichgültigkeit der Amerikaner gegenüber dem Klimawandel. Nun wird die Ölpest einen Bewusstseinsschub bewirken.

Doch die Frage ist, wie weit die Veränderungen gehen werden. Die Aufregung in Washington ist groß, die Konsequenzen sind gering. Die Demokraten wollen die Umlage zur Vorsorge gegen eine Ölpest aufstocken: von 0,05 Cent pro Liter Öl auf 0,2 Cent. Und noch ist nicht einmal sicher, ob sie damit durchkommen.

Präsident Obama betreibt derweil Krisenmanagement, setzt den gesamten Regierungsapparat in Bewegung, um zu beweisen, dass er nicht untätig ist. Und er versucht, die Schuld abzuwälzen: auf die Vorgängerregierung, die der Ölindustrie aus ideologischer Verblendung freie Hand ließ, auf den Ölmulti BP, der nicht einmal ansatzweise Vorsorge für den schlimmsten Fall getroffen hat.

Ansonsten aber erleben die Amerikaner gerade einen hilflosen Präsidenten. Obama ist zum Zuschauen verdammt. Er kann nur hoffen, dass BP das sprudelnde Bohrloch endlich stopft. Dem Eindruck der Machtlosigkeit könnte Obama indes entgehen, wenn er jetzt Führungsstärke in der Krise beweisen würde.

Er muss der Nation erklären, dass diese Ölpest nicht nur ein Unfall ist, sondern eine Folge der Abhängigkeit Amerikas vom Öl. Er muss sagen, dass auch 0,2Cent pro Liter Öl als Krisenvorsorge lächerlich sind. Er muss Amerika deutlich machen, dass es herausgefordert ist wie durch den Terror und dass ein nationaler Kraftakt nötig wäre, um neue, ungefährlichere Energieressourcen zu erschließen und die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Er müsste sagen, dass jetzt erst recht das neue Klimaschutzgesetz beschlossen werden müsste, dessen Entwurf in den Schubladen des Senats vergilbt. Er müsste vor die Nation treten und den Amerikanern verdeutlichen, dass nun die Zeit gekommen ist, für ihren Lebensstil zu zahlen. Und dass sie die Aufgabe meistern könnten, wie so oft, wenn die Nation herausgefordert war. Das müsste man von einem Präsidenten erwarten. Einem großen Präsidenten.

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